Patentverletzungen im Vergabeverfahren – Zum Prüfungsumfang der Vergabestellen sowie der Nachprüfungsinstanzen

Mit Beschluss vom 01.12.2015 (Verg 20/15) hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass Bieter, denen das Angebot eines Erzeugnisses patentrechtlich untersagt werden kann, als nicht leistungsfähig anzusehen und daher als ungeeignet auszuschließen sind. Die Patentverletzung ist im Rahmen der Eignungswertung inzident zu prüfen.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin, eine gesetzliche Krankenkasse, hat den Abschluss von Rahmenrabattvereinbarungen für 46 wirkstoffbezogene Fachlose ausgeschrieben. Eines der Lose betraf dabei einen Wirkstoff, der hinsichtlich einer Indikation durch ein Anwendungspatent geschützt war. Die Antragstellerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, das den Wirkstoff in Deutschland vertreibt, besitzt diesbezüglich eine einfache Lizenz. Seit Ende des Jahres 2014 sind in Deutschland Generika verfügbar. Mit ihrem Nachprüfungsantrag wendet sich die Antragstellerin gegen das Ausschreibungskonzept der Antragsgegnerin. Dadurch, dass die patentgeschützte Indikation „neuropathische Schmerzen“ von den abzugebenden Gesamtmengen nicht ausgenommen sei, nehme die Antragsgegnerin es billigend in Kauf, dass in erheblichem Umfang Substitutionen und damit Patentverletzungen stattfänden.

Die Antragsgegnerin hat dagegen eingewendet, die patentrechtliche Position sei im vergaberechtlichen Verfahren nicht zu prüfen. Zudem sei sie weder aus vergaberechtlichen noch aus sozialrechtlichen Gründen verpflichtet, einer Verletzung von Patentrecht entgegenzuwirken.

Die Vergabekammer hat dem Antrag stattgegeben. Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.

Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und damit die Entscheidung der Vergabekammer bestätigt.

Nach dem Gericht führt der Zuschnitt der Ausschreibung der Antragsgegnerin dazu, dass das Patent davon bedroht wird, verbotswidrig benutzt zu werden. Denn eine Beschränkung des Wirkstoffeinsatzes auf die patentfreien Bereiche sei nicht sichergestellt, insbesondere könne nicht darauf vertraut werden, Ärzte und/oder Apotheker verhielten sich bei Verordnungen und Abgaben stets rechtskonform.
Aus diesem Grund seien, so führt das Gericht weiter aus, im Rahmen derartiger Ausschreibungen bei Generika-Anbietern aus rechtlichen Gründen Zweifel an der Leistungsfähigkeit angebracht. Der Auftraggeber müsse sie daher vom Vergabeverfahren ausschließen.

Da die Antragsgegnerin sich hier darüber hinwegsetze und durch ihre Ausschreibung Patentverletzungen durch ungeeignete Bieter zulasse, könnten die Vergabeunterlagen in dieser Form keinen Bestand haben. Das Verfahren sei vielmehr in den Stand vor Versenden der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen und die Unterlagen müssten unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts überarbeitet werden.

Anmerkung

Mit der Entscheidung führt das OLG Düsseldorf seine Rechtsprechung fort. Bereits in seinem Beschluss VII-Verg. 91/04 vom 21.02.2005 hatte es festgestellt, dass auch die rechtliche (und damit u.a. die patentrechtliche) Leistungsfähigkeit der Bieter nicht nur von den Vergabestellen selbst zu prüfen sei, sondern auch der vollen Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen unterliege. Schon bei der Verfassung der Ausschreibungsunterlagen sollte dies stets im Hinterkopf behalten werden.

Darüber hinaus ist der Beschluss auch in prozessrechtlicher Hinsicht interessant. Denn das OLG hat sich anlässlich zweier nicht nachgelassener Schriftsätze der Antragsgegnerin zu der Prozessförderungspflicht aus § 113 Abs. 2 GWB a.F. (§ 167 Abs. 2 GWB n.F.) geäußert und führt auch damit seine frühere Rechtsprechung fort. Das Vorbringen eines Beteiligten ist danach auch ohne Fristsetzung der Vergabekammer jedenfalls dann grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, wenn der Beteiligte erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung neue Argumente vorträgt, obwohl ihm die Umstände bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt waren. Aufgrund des darin liegenden erheblichen Verstoßes gegen die Prozessförderungspflicht kann von einer Wiedereröffnung des Verfahrens abgesehen werden. Auf eine umfassende und exakte Darlegung aller relevanten Umstände rechtzeitig vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist daher unbedingt zu achten.

Vorinstanz: VK Bund, 16.03.2015 – VK 2-7/15

Autorin:
Rechtsanwältin Lara Itschert
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