Vergabe von Leistungen zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern

Die Vergabekammer Südbayern hat mit Beschluss vom 12.08.2016 in der Rechtssache Z3-3-3194-1-27-07-16 entschieden, dass bei Beschaffungen zur Anschlussunterbringung von Asylbewerbern nicht ohne Weiteres eine besondere Dringlichkeit angenommen werden kann, die eine Direktvergabe rechtfertigen würde.

Der Fall

Der Auftraggeber und Antragsgegner schloss mit der Beigeladenen einen Vertrag über Dienstleistungen für die Bereiche Management/Betreibung, Reinigung, Catering und Objektbetreuung mit Hausmeistertätigkeit zur befristeten Unterbringung von Asylbewerbern in einer Doppeltraglufthalle. Die Vergabe erfolgte im Wege einer beschränkten Ausschreibung im Sinne der VOL/A. Im Amtsblatt der Europäischen Union wurde nicht ausgeschrieben. Ebenso erfolgte keine Aufteilung in Lose.

Das Absehen von einer Losvergabe wurde seitens des Antragsgegners mit den bisher gemachten Erfahrungen begründet, wonach diese gezeigt hätten, dass man „täglich mit erheblichen Problemen vor Ort zu kämpfen habe, die daraus resultieren, dass die Verantwortungen und Zuständigkeiten von den einzelnen Dienstleistern nur hin und her geschoben würden.“ Durch einen Verzicht auf eine Losvergabe erhoffe man sich „weniger Ärger“, „effektivere Problemlösungen direkt vor Ort ohne Umwege über diverse Ansprechpartner“ sowie ein „angenehmes Wohnen für die untergebrachten Asylbewerber“, so der Antragsgegner.

Die Antragstellerin, ein Catering-Unternehmen, das sich nur für die Versorgungsleistungen interessierte, forderte die Ausschreibungsunterlagen an. Sie wurden ihr jedoch mit der Begründung verweigert, der komplette Auftrag solle an ein einziges Unternehmen vergeben werden. Nach wiederholter Rüge sowohl der gewählten Verfahrensart als auch eines Verstoßes gegen das Gebot der Fachlosvergabe wurde ein Nachprüfungsantrag gestellt.

Mit ihrem Antrag begehrt die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners, das Vergabeverfahren aufzuheben und die Teilleistung der Versorgung der Asylbewerber als Fachlos in einem gesonderten Auftrag auszuschreiben.

Die Entscheidung

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist gemäß § 135 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 GWB von Anfang an unwirksam. Die Vergabekammer erkannte sowohl einen Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht als auch einen Verstoß aufgrund des Unterlassens einer Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Union.

Die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb war unzulässig. Da die Schwellenwerte deutlich überschritten waren, hätte die Leistung europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die Voraussetzungen des § 14 VgV lagen nicht vor. Dringliche und zwingende Gründe seien nicht zu erkennen, da es im vorliegenden Fall um eine Verlegung von bereits im Landkreis untergebrachten Flüchtlingen ging. Die Notwendigkeit der Leistungen war folglich schon länger absehbar. Hinzu kommt, dass der Auftraggeber die materielle Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands trägt (vgl. schon OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016). Kann er – wie hier – nicht darlegen, dass nicht zumindest ein beschleunigtes Offenes oder Nicht offenes Verfahren hätte durchgeführt werden können, geht dies zu seinen Lasten.

Daneben hätte die Leistung auch in Lose aufgeteilt werden müssen. Nach § 97 Abs. 4 GWB sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge mittelständische Interessen vornehmlich zu berücksichtigen. Spezifische Umstände, die eine Gesamtvergabe rechtfertigen würden, lagen hier nicht vor. Für die verschiedenen ausgeschriebenen Tätigkeitsbereiche existieren jeweils eigene Märkte. Zudem vermochte auch die Begründung des Antragsgegners, mit der er die fehlende Losaufteilung zu rechtfertigen versuchte, nicht zu überzeugen. Der Antragsgegner wollte den mit der Fachlosvergabe verbundenen Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsmehraufwand vermeiden. Ein derartiger Mehraufwand ist jedoch jeder Losaufteilung immanent und insofern in Kauf zu nehmen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Januar 2012 – Verg 52/11).

Anmerkung

Dieser aktuelle Beschluss der Vergabekammer Südbayern besitzt neben der Bestätigung obergerichtlicher Rechtsprechung hinsichtlich unzulässiger Gesamtvergaben insbesondere Bedeutung für Beschaffungen im Bereich der Flüchtlingsunterbringung, ein Thema, das nach wie vor über große Brisanz verfügt. Während es angesichts der überwältigenden Flüchtlingszahlen des letzten Jahres legitim war, Aufträge bezüglich der Erstunterbringung von Asylsuchenden wegen Dringlichkeit direkt zu vergeben, greift diese Argumentation bei jetzt anstehenden mittel- oder langfristigen Versorgungsmaßnahmen grundsätzlich nicht mehr. Die Anschlussunterbringung, welche Länder und Kommunen in kommender Zeit beschäftigen wird, wird in der Regel als geplante Form der Unterbringung einzuordnen und daher unter Beachtung vergaberechtlicher Regeln auszuschreiben sein. Direktvergaben dürften nur noch in Ausnahmefällen in Betracht kommen.