Augen auf beim Grundstücksverkauf – Was folgt aus der Ablösung der Grundstücksmitteilung durch die Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe?

Mitte 2016 hat die Europäische Kommission eine Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe vorgelegt. Im Rahmen der Modernisierung des Beihilferechts verfolgt die Bekanntmachung insbesondere den Zweck, eine Übersicht und Auslegungshilfe zur Verfügung zu stellen, die zur Transparenz und Vereinheitlichung des Begriffs der staatlichen Beihilfe beitragen soll.

Unter anderem fallen auch Grundstücksverkäufe durch die öffentliche Hand in den Anwendungsbereich der Bekanntmachung; diese ersetzt nun die sog. „Grundstücksmitteilung“ (Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand) aus dem Jahr 1997.

Damit ist in Zukunft für die Beurteilung der beihilferechtlichen Zulässigkeit von Grundstücksveräußerungen die Bekanntmachung, insbesondere Abschnitt 4.2.3 maßgeblich. Dort werden die aus Sicht der Kommission notwendigen, aber auch hinreichenden Vorgehensweisen beschrieben, um einen marktkonformen Preis zu ermitteln, dessen Zahlung die Gewährung eines Vorteils und damit auch das Vorliegen einer unzulässigen Beihilfe ausschließt.

Was ändert sich?

Inhaltlich ergeben sich kaum gravierende Änderungen im Vergleich zu der alten Grundstücksmitteilung. Aufgrund der unterschiedlichen Intention der beiden Papiere gibt es jedoch Unterschiede in Darstellung, Formulierung, Praxisnähe und Detailliertheit. Während die Grundstücksmitteilung einen stark anwendungsorientierten Leitfaden darstellte, hat die neue Bekanntmachung zum Beihilfebegriff eher eine umfassende, beleggestützte Erläuterung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Beihilfebegriffs zum Inhalt.

Zulässige Verfahren beim Grundstückverkauf

Im Folgenden sollen daher die verschiedenen Möglichkeiten eines beihilfekonformen Grundstücksverkaufs durch die öffentliche Hand nach der Bekanntmachung der Kommission vom 19.7.2016 näher beleuchtet und die Unterschiede zur alten Grundstücksmitteilung hervorgehoben werden.

Ausgangspunkt zur Ermittlung eines marktkonformen Preises ist das sog. Kriterium des privaten Verkäufers (als Unterfall des marktwirtschaftlichen Wirtschaftsbeteiligten), welches die Unionsgerichte entwickelt haben. Dahinter steht der Gedanke, dass ein Grundstücksverkauf dann zum Marktpreis erfolgt und damit beihilfekonform ist, wenn ein privater Verkäufer unter normalen Marktbedingungen denselben Preis hätte festsetzen oder erzielen können (vgl. Urteil des Gerichts vom 28.2.2012, T-268/08 und T-281/08).

Um den Marktpreis eines Grundstücks zu ermitteln, den die öffentliche Hand mit dem Verkauf mindestens erzielen muss, um eine Beihilfe auszuschließen, kennt die Bekanntmachung im Grundsatz zwei Verfahren (ausgenommen sind sog. pari-passu-Transaktionen, also solche, die von öffentlichen Stellen und privaten Wirtschaftsbeteiligten zu gleichen Bedingungen und zur gleichen Zeit durchgeführt werden): Die Wertermittlung mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens und die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens.

Sachverständigengutachten

Im Gegensatz zur alten Grundstücksmitteilung beschränkt sich die Bekanntmachung auf die Feststellung, dass ein vor den Verkaufsverhandlungen eingeholtes Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen grundsätzlich ausreicht, um auf der Grundlage allgemein anerkannter Marktindikatoren und Bewertungsstandards den Marktwert zu ermitteln.

Dabei misst die Bekanntmachung der Auswahl der Bewertungsmethode entscheidende Bedeutung zu. Grundsätzlich für zulässig hält die Kommission die Anwendung der vergleichenden Methode (Benchmarking). Ist diese im Einzelfall nicht geeignet, den Marktpreis zu ermitteln, soll es jedoch auch möglich sein andere allgemein anerkannte Standardmethoden zu verwenden. Welche das im Falle eines Grundstücksverkaufs konkret sind, sagt die Bekanntmachung nicht – zumindest nachrangig soll aber auch eine alternative Methode wie das deutsche Vergleichspreissystem angewandt werden dürfen. Im Ergebnis dürften sich damit keine Änderungen im Vergleich zur bisherigen Praxis ergeben.

Konkrete Vorgaben für die Auswahl des unabhängigen Sachverständigen enthält die Bekanntmachung dagegen im Unterschied zur Grundstücksmitteilung nicht mehr. Es ist jedoch ratsam, sich insofern weiterhin an den Leitlinien der Grundstücksmitteilung zu orientieren und solche Personen als Sachverständige auszuwählen, die einen einwandfreien Leumund sowie einen geeigneten Abschluss an einer anerkannten Ausbildungsstätte oder eine gleichwertige Qualifikation haben und in der Ermittlung von Anlagevermögenswerten nach Standort und Kategorie des Vermögenswertes sachkundig und erfahren sind.

Nach wie vor dürften damit in Anlehnung an die bisherige Kommissionspraxis die deutschen Gutachterausschüsse nach dem Baugesetzbuch als Sachverständige gewählt werden dürfen – ihre Bewertungsmaßstäbe entsprechen jedoch nicht automatisch ebenfalls den europäischen Anforderungen, sodass darauf ein spezielles Augenmerk gelegt werden sollte (vgl. z.B. die Entscheidung der Kommission Nr. 1999/2075 (EG vom 25.11.1998 – Draiswerke GmbH).

Ausschreibungsverfahren

Die zweite allgemein anwendbare Methode zur Ermittlung des Marktpreises besteht in der Durchführung eines wettbewerblichen, transparenten, diskriminierungsfreien und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahrens.
An dieser Stelle weicht die Bekanntmachung zum Beihilfebegriff vom Wortlaut her recht deutlich von der Grundstücksmitteilung ab, die von einem „Bietverfahren“ sprach, wodurch der Bezug zum Vergaberecht jetzt viel stärker in den Vordergrund gestellt wird.

So verzichtet die Bekanntmachung auch weitgehend auf eigene Anforderungen an das Ausschreibungsverfahren. Vielmehr gilt das Folgende: Bei Durchführung eines Verfahrens nach den Vorschriften zum öffentlichen Beschaffungswesen kann grundsätzlich von einer beihilfenkonformen Transaktion zu Marktbedingungen ausgegangen werden kann, solange wenige Zusatzbedingungen erfüllt sind:

  • Es kann grundsätzlich jede Verfahrensart gewählt werden, deren Anwendungsvoraussetzungen vorliegen, solange sie die Ermittlung eines Marktpreises ermöglicht (z.B. kein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb)
  • Die Ausschreibung muss bedingungsfrei sein, d.h. es steht den potenziellen Käufern grundsätzlich frei, das Grundstück zu erwerben und für die eigenen Zwecke zu nutzen – unabhängig davon, ob sie bestimmte Unternehmen betreiben o.Ä. Nicht zulässig ist es daher, dem Käufer im Wege einer Bedingung besondere Verpflichtungen aufzuerlegen, die ein privater Verkäufer nicht verlangt hätte und die sich nicht aus dem allgemeinen nationalen Recht oder aus Entscheidungen der Planungsbehörden ergeben (Vorsicht – hier liegt ein wesentlicher Unterschied zum allgemeinen Vergaberecht!).
  • Der höchste Preis hat ein wesentliches Gewicht bei der Wertung der Angebote.
  • Wurde nur ein einziges Angebot abgegeben, kann dieses nur dann als Marktpreis angesehen werden, wenn besonders strenge Maßnahmen zur Wettbewerbsschaffung getroffen wurden und der Ausschreiber sich durch zusätzliche Maßnahmen vergewissert, dass das Ergebnis dem Marktpreis entspricht.

Damit wird der öffentlichen Hand die Handhabung einerseits erleichtert, da die bekannten und sehr detaillierten Regelungen zur Auftragsvergabe in Bezug genommen werden und eine bessere Orientierung ermöglichen. Andererseits fällt ein Stück Gestaltungsfreiheit weg und die neue Form der Regelung trägt nicht unbedingt zur Übersichtlichkeit bei.

Im Ergebnis werden sich in der Praxis voraussichtlich keine gravierenden Änderungen ergeben, da die meisten Auftraggeber sich auch bisher schon an den vergaberechtlichen Vorgaben orientiert haben dürften. Dennoch ist möglicherweise insgesamt in Zukunft eine höhere Formalität bei derartigen Verfahren ratsam und auch zu erwarten.

Verhältnis der beiden Verfahren

Schließlich stellt sich die Frage, wie die verschiedenen Verfahren zueinander stehen oder kurz gefasst: Was passiert, wenn verschiedene Zahlen im Raum stehen?

Wurde der Preis durch ein Ausschreibungsverfahren festgesetzt, ist das Ergebnis unumstößlich. Unabhängige Gutachten o.Ä. können diesen Marktpreis nicht erschüttern.

Umgekehrt sind die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens deutlich weniger stabil. Schon durch Abgabe eines einzigen anderen, höher liegenden Angebots kann die Vermutung, dass das Gutachten den Marktpreis wiedergibt, erschüttert werden (siehe hierzu: Österr. Staatsgerichtshof, Urteil vom 19.1.2010, RIS-4 Ob 154/09i). In der Folge kann ein tragfähiger Marktpreis nur noch mittels Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens festgestellt werden.

Fazit

Wenn die Veräußerung an den meistbietenden Bieter in einem den Anforderungen genügenden Ausschreibungsverfahren oder mindestens zu dem von einem unabhängigen Sachverständigen festgelegten Wert erfolgt, handelt es sich um eine Veräußerung zum Marktpreis, die beihilfekonform ist.

Falls die Veräußerung nicht zum Marktpreis erfolgt (z.B. weil aufgrund eines Sachverständigengutachtens verkauft wird, das jedoch durch andere Angebote erschüttert wurde), muss grundsätzlich eine Meldung an die Kommission erfolgen, damit diese das Vorliegen einer Beihilfe prüfen kann. Andere Vorschriften wie die De-Minimis-Regelungen bleiben jedoch unberührt, sodass eine Meldung im Einzelfall dennoch unterbleiben kann.