Bauleiter darf die Augen vor offenkundigen Mängeln nicht verschließen!

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat sich in seinem Urteil vom 04.03.2015 (Az. 1 U 84/13) mit der Frage befasst, inwiefern einem Auftragnehmer die Arglist seiner Mitarbeiter hinsichtlich des Vorliegens eines Mangels zuzurechnen ist.

Sachverhalt

Die Beklagte hatte für die Klägerin in einem Neubau Trockenbauarbeiten durchgeführt und u. a. die Decken in den Fluren geplant, hergestellt und montiert. Die Abnahme fand im Jahre 1995 statt. Im Jahre 2010 zeigte sich, dass sich die abgehängte Decke in einem Teilbereich der Flure gelöst hatte. Es wurden mehrere Sachverständige beauftragt, die schwerwiegende Material- und Montagefehler im Bereich der Decken feststellten.

Die Klägerin verlangte nach ordnungsgemäßer Mängelanzeige und Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung u. a. Zahlung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung. Die Beklagte berief sich im Wesentlichen auf Verjährung.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruches auf Kostenvorschuss waren gegeben. Das Gewerk der Beklagten war mit schwerwiegenden Mängeln behaftet. Einzig kam es noch auf die Frage der Verjährung an.

Entgegen der Auffassung der Beklagten waren die klägerischen Ansprüche nicht verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 638 Abs. 2 BGB a. F. war hier auf drei Jahre ab Kenntniserlangung von den Mängeln im Jahre 2010 bis zum 31.12.2013 verlängert worden, da die Beklagte der Vorwurf des arglistigen Verschweigens der Mängel traf. Sie haftete hier schon deshalb, weil der von ihr eingesetzte Bauleiter die Mängel arglistig verschwiegen hatte. Ob die Beklagte auch ein Arglistvorwurf aus einem Organisationsverschulden (keine ausreichend sorgfältige Auswahl des Bauleiters) traf, konnte das Oberlandesgericht offenlassen.

Arglistig verschweigt, wem bewusst ist, dass ein bestimmter Umstand für die Entschließung seines Gegners von Erheblichkeit ist, nach Treu und Glauben verpflichtet ist, diesen Umstand mitzuteilen, und ihn dennoch nicht offenbart. Einem Unternehmer ist grundsätzlich nur die Arglist derjenigen Mitarbeiter zuzurechnen, derer er sich bei der Erfüllung seiner Offenbarungspflicht gegenüber dem Besteller bedient. Erfüllungsgehilfe in diesem Sinne ist, wer mit der Ablieferung des Werkes an den Besteller betraut ist und dabei jedenfalls mitwirkt, nicht aber derjenige, der lediglich an der Herstellung des Werkes mitwirkt. Entscheidend ist, dass der Mitarbeiter den Unternehmer in die Lage versetzt, seine Offenbarungspflicht gegenüber dem Besteller zu erfüllen. Dies ist bei einem Bauleiter anzunehmen, wenn der Unternehmer ihn – wie hier – mit der Prüfung des Werkes auf Mangelfreiheit beauftragt und sich gegenüber dem Auftraggeber ungeprüft dessen Angaben zu Eigen gemacht hat.

Arglistiges Verschweigen war vorliegend bei dem Verhalten des Bauleiters gegeben, da die schwerwiegenden Mängel ihm hätten auffallen müssen. Sie waren derart evident und gravierend, dass sie ihm nicht verborgen bleiben konnten. Entweder hatte der Bauleiter seine Überwachungsfunktion überhaupt nicht wahrgenommen und damit „ins Blaue hinein“ vorgespiegelt, dass das Werk mangelfrei übergeben werde, oder er hatte die Augen vor offensichtlichen Mängeln bewusst verschlossen und eine Schädigung der Klägerin billigend in Kauf genommen.

Praxishinweis

Wenn Mängel erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist auftreten, ist zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen an den Vorwurf der arglistigen Täuschung zu denken. Sofern der Auftragnehmer nicht persönlich handelt, sondern arbeitsteilig, ist ein Organisationsverschulden oder die Zurechnung eines arglistigen Verschweigens eines Mitarbeiters in Betracht zu ziehen, den der Auftragnehmer als seinen Erfüllungsgehilfen bei der Offenbarungspflicht, über Mängel aufzuklären, eingesetzt hat.