Darf der Unternehmer Vorauszahlungen verlangen? Antwort des Bundesgerichtshofes: Ja, unter bestimmten Voraussetzungen!

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 25.07.2017 (Az.: X ZR 71/16) entschieden, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Werkunternehmers eine Vorleistungspflicht des Bestellers wirksam vereinbart werden kann, soweit diese aus einem sachlichen Grund gerechtfertigt ist.

Sachverhalt

Originär geht es um Reiserecht: Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände verlangte von der beklagten Reiseveranstalterin, es zu unterlassen, beim Abschluss einer Pauschalreise eine Reisebedingung zu verwenden, die eine bei Vertragsschluss fällige Anzahlung in Höhe von 40 % des Reisepreises vorsieht.

Entscheidung

Vorauszahlungen von 20 % sieht der Bundesgerichtshof ohne weitere Voraussetzungen grundsätzlich als zulässig an. Bei darüber hinausgehenden Anzahlungsverpflichtungen, so entschied der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall, komme es auf eine weitergehende Rechtfertigung an, damit derartige Geschäftsbedingungen keine unangemessene Benachteiligung darstellen. Auf Grund des Umstandes, dass der Reisende gegen das Risiko der Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert sein müsse, seien solche Anzahlungen nur angemessen, wenn sie dem Veranstalter nicht als Teil seiner liquiden Mittel verbleiben, sondern zur Deckung von Kosten der Reise benötigt werden, die bei dem Veranstalter bereits bei oder vor dem Vertragsschluss mit dem Reisenden und vor Durchführung der Reise anfallen.

Zu solch vorgezogenen Aufwendungen des Reiseveranstalters zählen auch Provisionszahlungen des Reiseveranstalters an ein Reisebüro für die Planung und Vorbereitung der Reise. Nicht anders als beim Werkvertrag bestehe die Leistung des Reiseveranstalters nicht nur in der Durchführung der Reise, sondern auch in der Reiseplanung. Das Reisebüro übernehme hierbei die Planung, indem es dem Reisenden behilflich ist bei der Auswahl der für ihn passenden und attraktivsten Reise. Der Reiseveranstalter lagert in diesem Fall die Planung der Reise also aus und lässt sie durch ein Reisebüro durchführen. Mit dieser Argumentation schlägt der Bundesgerichtshof die Brücke zum Werkvertragsrecht, auf das sich die für diesen Fall entwickelte Argumentation mithin übertragen lässt.

Einordnung und Fazit

Interessant ist diese Entscheidung, da der Bundesgerichtshof die Leistung eines Reiseveranstalters mit einer werkvertraglichen Leistung gleichsetzt. Die hier für den Reiseveranstalter getroffene Entscheidung ist daher auf werkvertraglich zu beurteilende Bauverträge zu übertragen. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann daher bei sachlich gerechtfertigten Gründen eine Vorleistungspflicht des Bestellers vereinbart werden, wenn die Gründe auch bei Abwägung mit den hierdurch für den Besteller entstehenden Nachteilen Bestand haben. Diese Abwägung hat freilich einzelfallbezogen zu erfolgen. Dabei ist stets das drohende Insolvenzrisiko in die Abwägung mit einzubeziehen. Insbesondere jedoch, wenn der durch den Bauunternehmer zu erbringenden Leistung auch planende Elemente immanent sind oder der Bauunternehmer andere Aufwendungen tätigen muss, um die Durchführung des Bauvorhabens zu gewährleisten, kann eine Vorleistungspflicht des Bestellers gerechtfertigt sein. Nach entsprechender Beratung kann eine derart lautende Klausel also wirksamer Bestandteil von Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden.