Kein Anordnungsrecht des Auftraggebers nach Eintreten der Abnahmewirkungen

Das OLG Hamm hat sich in seiner aktuellen Entscheidung vom 18.01.2019 (Az. 12 U 54/18) mit der für die Praxis wichtigen Frage befasst, ob das Anordnungsrecht des Auftraggebers nach § 1 VOB/B nur für das Vertragserfüllungsstadium gilt und damit nach Abnahme endet.

Das OLG Hamm hat sich in seiner aktuellen Entscheidung vom 18.01.2019 (Az. 12 U 54/18) mit der für die Praxis wichtigen Frage befasst, ob das Anordnungsrecht des Auftraggebers nach § 1 VOB/B nur für das Vertragserfüllungsstadium gilt und damit nach Abnahme endet.

Sachverhalt

Geklagt hatte ein Auftragnehmer, der auf Basis der VOB/B mit sämtlichen Leistungen im Gewerk Elektroanlagen für einen Pflegeheimneubau beauftragt worden war. Nach Fertigstellung der Leistung fand eine Begehung des Objekts durch den Auftraggeber statt, bei der diverse Mängel des Gewerks des Auftragnehmers aufgelistet wurden. Die Mängel wurden in der Folgezeit überwiegend abgearbeitet. Anschließend erstellte der Auftragnehmer die Schlussrechnung, die eine offene Werklohnforderung zu seinen Gunsten auswies.

Der Auftraggeber nahm keinen Ausgleich der Forderung vor, auch nicht nach Fristsetzung durch den Auftragnehmer. Monate nach Ablauf der gesetzten Frist forderte der Auftraggeber die Auftragnehmerin wegen einer vermeintlich nicht erfüllten Brandschutzanforderung zur Ausführung zusätzlicher Leistungen auf, die zur Erbringung einer mangelfreien Werkleistung erforderlich seien.

Der Auftragnehmer klagte auf Zahlung des Restwerklohns; der Auftraggeber setzte dem u. a. entgegen, dass die Forderung mangels Abnahme nicht fällig sei.

Entscheidung

Das OLG Hamm gab dem Auftragnehmer Recht.

Dabei kann nach Auffassung des OLG Hamm offen bleiben, ob eine Abnahme erfolgt ist, da die Fälligkeit des Werklohnanspruchs jedenfalls durch eine unberechtigte Abnahmeverweigerung eingetreten sei. Selbst falls das Fehlen der Brandschutzanforderung einen Mangel dargestellt haben sollte, wäre der Auftragnehmer entlastet, da die Ausführung der bauseitigen Planung entsprochen und kein Verstoß gegen die Prüfungs- und Hinweispflicht des Auftragnehmers vorgelegen habe.

Mit der erst nach Abnahmereife beauftragten Zusatzleistung könne der Mangel auch nicht begründet werden, da das Anordnungsrecht nach § 1 Abs. 4 VOB/B mit der Beendigung der Herstellungsphase erloschen gewesen sei. Die Anordnungsrechte aus § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B stünden dem Auftraggeber nicht zeitlich unbegrenzt zu. Sie beträfen die Herstellungsverpflichtung des Auftragnehmers und könnten daher nur im Erfüllungsstadium bestehen, das mit der Abnahme ende. Vorliegend könne zwar keine Abnahme festgestellt werden. Dies führe indes nicht dazu, dass die Erfüllungsphase unbegrenzt weiterlaufe. Vielmehr müsse die Herstellungsverpflichtung des Werkunternehmers ihr Ende finden, wenn der Auftraggeber zur Abnahme verpflichtet sei.

Fazit

Entscheidend für die Beurteilung der Mangelfreiheit und der Vollständigkeit einer Werkleistung ist stets das Erfüllungsstadium, also der Zeitraum bis zur Abnahme der Werkleistung. Selbst wenn eine Abnahme nicht ausdrücklich erfolgt, kann die Forderung von geänderten oder zusätzlichen Leistungen für den Auftraggeber nicht mehr möglich sein, da die Abnahmewirkungen bereits eingetreten sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Auftraggeber die Abnahme unberechtigt verweigert oder ihm erfolglos eine Frist zur Abnahme gesetzt worden ist, obwohl die Werkleistung im Wesentlichen vertragsgerecht erbracht wurde.