BGH – Fliegender Gerichtsstand auch für Vertragsstrafen bei UWG-Hintergrund

Der BGH hat in einem Hinweisbeschluss vom 19.10.2016 (Az. I ZR 93/15) deutlich gemacht, dass Ansprüche auf Grund von Vertragsstrafeversprechen und Unterlassungsverträgen von der Zuständigkeitsregelung des § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG erfasst sind. Der „fliegende Gerichtsstand“ ist damit auch für entsprechende Vertragsstrafen relevant und einschlägig.

Sachverhalt:

Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb, mahnte den Beklagten wegen Werbeaussagen im Internet ab, die er als irreführend beanstandete. Der Beklagte gab eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, die der Kläger annahm. Kläger verlangt vom Beklagten wegen eines Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 € nebst Zinsen.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt (OLG Schleswig, GRUR-RR 2015, 359 = WRP 2015, 1147). Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit der Klage die Revision zugelassen. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidung des Gerichts:

Der BGH hat sich in seinem Hinweisbeschluss sehr ausführlich mit der kontrovers diskutierten Frage der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts im Kontext UWG-relevanter Vertragsstrafenversprechen auseinandergesetzt und im Ergebnis die Anwendbarkeit von § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG befürwortet.

Die Frage, ob Ansprüche auf Grund von Vertragsstrafeversprechen und Unterlassungsverträgen von der Zuständigkeitsregelung des § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG erfasst würden, sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Nach einer Ansicht werde die ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte für derartige Ansprüche nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG wegen des Wortlauts der Vorschrift verneint. Nach anderer Auffassung werde durch § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG unabhängig von der Höhe des geltend gemachten Anspruchs die erstinstanzliche landgerichtliche Zuständigkeit auch bei Vertragsstrafeansprüchen begründet, die ihren Ursprung in einem auf einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung beruhenden Unterlassungsvertrag.

Die zuletzt genannte Ansicht treffe zu. Dies ergebe sich aus einer am Gesetzeszweck orientierten Auslegung von § 13 Abs. 1 UWG.

Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG setze voraus, dass Ansprüche „auf Grund“ des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend gemacht werden. Durch den wettbewerbsrechtlichen Vertrag, mit dem sich der Schuldner gegenüber dem Gläubiger strafbewehrt zur Unterlassung einer nach § 3 oder § 7 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung verpflichte, würden derartige Ansprüche begründet. Die vertragliche Unterlassungsverpflichtung lasse die Wiederholungsgefahr für den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG entfallen, wobei die vertragliche Verpflichtung in Form eines abstrakten Schuldanerkenntnisses im Wege der Schuldumschaffung an die Stelle des gesetzlichen Anspruchs trete.

Dieses Verständnis entspreche dem mit der Neuregelung der gerichtlichen Zuständigkeit in Wettbewerbssachen in § 13 Abs. 1 UWG verfolgten Gesetzeszweck. Der Gesetzgeber habe das Ziel verfolgt, statt der bisher gegebenen streitwertabhängigen Zuständigkeit von Amts- und Landgerichten eine ausschließliche, streitwertunabhängige sachliche Zuständigkeit der Landgerichte in Wettbewerbssachen einzuführen, weil bei den Landgerichten aufgrund der dort streitwertbedingt überwiegend anfallenden Wettbewerbssachen der für die Behandlung dieser Sachen erforderliche Sachverstand und das notwendige Erfahrungswissen vorhanden seien. Insbesondere sollten Rechtsstreitigkeiten, in denen Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG geltend gemacht werden und bei denen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Unterschreitung der die Zuständigkeit bestimmende Streitwertgrenze von 5.000 € vorhanden ist, in die Zuständigkeit der Landgerichte fallen, weil bei ihnen als Vorfragen sämtliche einschlägigen wettbewerbsrechtlichen Fragen geprüft werden müssten.

Zudem sollte mit der Alleinzuständigkeit der Landgerichte der inhaltliche Gleichklang mit § 140 Abs. 1 MarkenG, § 15 Abs. 1 GeschmMG aF, § 27 Abs. 1 GebrMG, § 143 Abs. 1 PatG und § 6 Abs. 1 UKlaG hergestellt werden. Die Vorschriften, auf die die Gesetzesbegründung Bezug nehme, würden weit ausgelegt. Dies müsse auch für § 13 Abs. 1 UWG gelten.

Auswirkungen für die Praxis:

Die praktischen Auswirkungen des Beschlusses dürfen ganz erheblich sein, dürfte der Beschluss einen schon seit Jahren heftig geführten Streit an ein Ende führen. Künftig ist zu beachten, dass auch für Vertragsstrafen aus UWG-relevanten Vertragsstrafeversprechen die Landerichte ungeachtet der Forderungshöhe zuständig sind und sich der Forderungsgläubiger das zuständige Gericht nach Maßgabe von § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG „aussuchen“ kann; der Unterlassungsgläubiger wird damit in vielen Fällen von der Notwendigkeit befreit, Rechtsschutz vor dem für den Unterlassungsschuldner kraft Sitz zuständigen Gericht zu suchen.

Quelle: Beschluss des BGH vom 19.10.2016 – I ZR 93/15