BGH zur nachträglichen Behebung eines Verfahrensfehlers bei einer Teilanmeldung

In seinem Urteil vom 5.10.2016 „Opto-Bauelement“ (Az.: X ZR 78/14) hat sich der BGH u.a. mit der Frage befasst, ob die vom materiell Berechtigten eingereichte, formell fehlerhafte Teilanmeldung wirksam wird, wenn der Verfahrensfehler nachträglich behoben wird.

Ob und unter welchen Voraussetzungen formelle oder materielle Fehler einer Teilanmeldung dazu führen, dass dieser in einem Nichtigkeitsverfahren nicht der in Art. 76 Abs. 1 Satz 2 EPÜ (für deutsche Patente: § 39 Abs. 1 Satz 4 PatG) bestimmte Zeitrang zukommt und ob dies gegebenenfalls zur Folge haben kann, dass die in Bezug genommene Stammanmeldung im Falle ihrer Veröffentlichung zum Stand der Technik zu zählen ist, hat der BGH bislang offengelassen. Auch in seinem Urteil „Opto-Bauelement“ bedurfte diese Frage keiner Entscheidung, da der BGH zu dem Schluss kam, dass die Teilanmeldung durch nachträgliche Behebung des Verfahrensfehlers (hier: fehlende Anmelderidentität) wirksam geworden ist.

Der BGH führt hierzu aus, dass das Recht zur Teilung einer Anmeldung nach der Entscheidungspraxis des EPA nur dem Anmelder zusteht. Art. 76 EPÜ sehe dies zwar nicht ausdrücklich vor, die Vorschrift diene aber der Umsetzung von Art. 4G PVÜ und sei deshalb im Lichte dieser Vorschrift auszulegen. Der BGH lässt offen, ob daraus folgt, dass eine Teilanmeldung im Falle eines Rechtsübergangs entsprechend der allgemeinen Bestimmung in Regel 22 Abs. 3 AOEPÜ nur dann durch den neuen Rechtsinhaber erfolgen darf, wenn dieser den Rechtsübergang durch Vorlage von Dokumenten nachgewiesen hat. Nach Regel 22 Abs. 3 AOEPÜ wird ein Rechtsübergang gegenüber dem EPA erst und nur insoweit wirksam, als er ihm durch Vorlage von entsprechenden Dokumenten nachgewiesen wird. Liegen diese Voraussetzungen bei der Einreichung der Teilanmeldung durch den materiell Berechtigten noch nicht vor, begründet dies nach Ansicht des BGH nur einem formellen Rechtsfehler. Dieser sei im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls dann nicht mehr beachtlich, wenn – wie im Streitfall durch den Antrag auf Berichtigung des Anmelders der Teilanmeldung – die sich aus Regel 22 Abs. 3 AOEPÜ ergebenden Anforderungen zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt waren und eine Teilanmeldung zu diesem Zeitpunkt noch zulässig war.

Zudem bekräftigt der BGH in dem Urteil seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Wahl einer Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt für die Lösung eines technischen Problems der Rechtfertigung bedarf. Die Einordnung eines bestimmten Ausgangspunkts als „nächstkommender“ Stand der Technik sei hierfür weder ausreichend noch erforderlich. Vielmehr bedürfe es konkreter Umstände, die dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt Veranlassung gaben, eine bestimmte Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzuziehen. Diese Rechtfertigung liege in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns, für einen bestimmten Zweck eine bessere oder andere Lösung zu finden, als sie der Stand der Technik zur Verfügung stellt.

Kommen für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere Alternativen in Betracht, können – so der BGH – mehrere von ihnen naheliegend sein. Hierbei sei grundsätzlich ohne Bedeutung, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge. Dementsprechend sei es für die Frage, ob ein bestimmter Ausgangspunkt für den Fachmann naheliegend war, grundsätzlich ohne Bedeutung, ob andere Ausgangspunkte möglicherweise als noch näherliegend in Betracht kommen.

Amtliche Leitsätze:

EPÜ Art. 76 Abs. 1 Satz 2; AOEPÜ Regel 22; IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1

Der Umstand, dass eine vom materiell Berechtigten eingereichte Teilanmeldung formell fehlerhaft war, steht der Zubilligung des in Art. 76 Abs. 1 Satz 2 EPÜ vorgesehenen Zeitrangs in einem Nichtigkeitsverfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Fehler zu einem späteren Zeitpunkt behoben wurde und eine Teilanmeldung zu diesem Zeitpunkt noch zulässig war.

a) Die Wahl einer bestimmten Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt für die Lösung eines technischen Problems bedarf grundsätzlich der Rechtfertigung (Bestätigung von BGH, Urteil vom 16.12.2008 – X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 51 – Olanzapin; Urteil vom 18.06.2009 – Xa ZR 138/05, GRUR 2009, 1039 Rn. 20 – Fischbissanzeiger).

b) Für die Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Ausgangspunkt für den Fachmann naheliegend war, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, ob andere Ausgangspunkte möglicherweise als noch näherliegend in Betracht kommen.

PatG § 117; ZPO, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3

Ein gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilter Hinweis des Patentgerichts, ein in einem Unteranspruch vorgesehenes Merkmal dürfte aus den vorgelegten Dokumenten nicht bekannt sein, gibt dem Nichtigkeitskläger regelmäßig Veranlassung, die Gründe aufzuzeigen, aus denen die Patentfähigkeit für den Gegenstand dieses Unteranspruchs zu verneinen ist.

BGH, Urteil v. 05.10.2016, Az.: X ZR 78/14