LG Bochum: Fehlende Beilage von Quellcode und Lizenzbedingungen bei Open Source Software kann Schadensersatzanspruch begründen

Das Landgericht Bochum hat mit Urteil vom 03.03.2016 – Az. I-8 O 294/15 entschieden, dass bei Verstößen gegen Bedingungen der General Public License (GPLv2) ungeachtet der grundsätzlichen Kostenfreiheit entsprechender GPL-lizenzierten Software Schadensersatzansprüche der Urheber in Betracht kommen können.

Sachverhalt

Die Klägerin machte gegen die Beklagte einen urheberrechtlichen Auskunfts- und Aufwendungsersatzanspruch sowie einen Anspruch auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aufgrund einer Urheberrechtsverletzung geltend.

Die Klägerin entwickelt Softwarelösungen, die sicheren Zugang zu drahtlosen Netzwerken ermöglichen. So hat die Klägerin unter anderem ausschließliche Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Programm inne. Mit dem betreffenden Programm war es Instituten aller Art möglich, eigenen Mitarbeitern bzw. externen Dritten die Verwendung eigener Endgeräte im institutionseigenen W-LAN zu gestatten.

Eine Lizenzierung des streitgegenständlichen Programms erfolgte klägerseits unter den Bedingungen der GPLv2. Dadurch gestattete die Klägerin jedermann die Vervielfältigung, Verbreitung und Veränderung der freien Software unter der Bedingung, dass bei der Weitergabe die Lizenzpflichten der GPLv2 erfüllt, insbesondere auf die GPLv2 hingewiesen, der Lizenztext der GPLv2 beigefügt und der Quellcode zugänglich gemacht wird.

Die Beklagte war eine Hochschule und betrieb ein eigenes W-LAN-Netz, womit die Studierenden und Beschäftigten Zugang zum Internet und Intranet erhielten. Gästen anderer Hochschulen wurde ebenfalls der Zugang zum Internet gewährt, diese benötigen aber eine Software um das W-LAN der Beklagten nutzen zu können. Hierfür hat die Beklagte in der Vergangenheit auf ihrer Internetseite die streitgegenständliche Software zum Download angeboten, jedoch dabei keinen Lizenztext der GPLv2 oder Quellcode der Software zur Verfügung gestellt.

Nachdem die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, weitergehende Ansprüche der Klägerin jedoch zurückgewiesen hatte, nahm die Klägerin die Beklagte auf Auskunft, Ersatz von Abmahnkosten sowie Schadensersatzfeststellung in Anspruch.

Die Beklagte verteidigte sich im Wesentlichen damit, dass sie die Software von einer Dritt-Website heruntergeladen habe; die entsprechenden Archivdateien hätten weder den Lizenztext der GPLv2 noch den Quellcode für das streitgegenständliche Programm enthalten, was für den Mitarbeiter der Beklagten auch nicht erkennbar gewesen sei. Die Beklagte ist der Ansicht, es fehle daher an einem Verschulden ihrerseits. Zudem hat sich die Beklagte damit verteidigt, dass es sich um eine freie Open Source Software und nicht um eine kommerzielle Software handele, so dass der Klägerin kein Schaden entstanden sei. Lizenzgebühren hätte die Klägerin, selbst wenn die Software mit Lizenztext der GPLv2 und Quellcode zum Download angeboten worden wäre, nicht verlangt bzw. verlangen können.

Entscheidung

Das Landgericht Bochum hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Eine Verletzung des Urheberrechts der Klägerin sei allein darin zu sehen, dass die Beklagte die streitgegenständliche Software ohne Lizenztext und Quellcode i.S.v. § 69 c Nr. 4 UrhG öffentlich zugänglich gemacht habe. Bei der Software handelt es sich um eine sog. Open Source Software, deren Nutzung gemäß GPLv2 kostenlos und deren Weiterentwicklung gestattet sei. Die Nutzungsberechtigung setze jedoch die Wahrung der GPLv2 voraus. Erforderlich sei danach insbesondere, dass auf die GPLv2 hingewiesen, der Lizenztext der GPLv2 beigefügt und der Quellcode zugänglich gemacht werde. Die Beklagte habe diese Bedingungen unstreitig nicht eingehalten. Die GPLv2 sehe zudem vor, dass ein Lizenzverstoß automatisch zu einem Erlöschen der Lizenzrechte führe, so dass eine unberechtigte Nutzung durch die Beklagte vorliege.

Die Beklagte habe die Urheberrechtsverletzung auch zu vertreten, da sie zumindest fahrlässig gehandelt habe. Die Klägerin habe die Software nur unter den Bedingungen der GPLv2 veröffentlicht und hierzu nachweislich den erforderlichen Quellcode und die Lizenzbedingungen neben dem Download des Programms auf ihrer Internetseite zur Verfügung gestellt. Die Beklagte könne diese Angaben mit ihrem substanzlosen Vorbringen dahingehend, die Klägerin selbst habe die Software ohne Quellcode und Lizenzbedingungen auf den Markt gebracht habe, nicht widerlegen.

Da die Klägerin die kostenfreie Nutzung ihrer Software nur bei Einhaltung der Bestimmungen der GPLv2 erlaubt habe, stehe ihr bei Nichteinhaltung dieses Regelwerks ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu, möge auch die berechtigte Nutzung der Software kostenfrei sein. Wollte man der Rechtsauffassung der Beklagten folgten, wären die Urheber von unter den Bedingungen der GPLv2 veröffentlichter Software praktisch rechtslos gestellt. Warum die Möglichkeit eines Unterlassungsanspruchs seitens der Klägerin ihren Anspruch auf Schadensersatz ausschließen solle – wie von der Beklagten vorgebracht -, erschließe sich der Kammer nicht.

Anmerkung

Die Entscheidung des LG Bochum zeigt einmal mehr, dass auch und insbesondere bei der Verwendung kostenfreier Open Source Software besondere Vorsicht geboten ist, namentlich zu prüfen ist, welchen Bedingungen entsprechende Software unterstellt ist. Dabei spielen die hier vorliegend in Rede stehenden Bedingungen einer Beifügung von Lizenztexten und Quellcodes im Falle der Weiterverbreitung eine wesentliche Bedeutung und sollten in entsprechenden Konstellation stets hinterfragt werden.

Dies gilt in besonderem Maße, wenn – wie vorliegend zwar nicht – Open Source Software nicht „nur“ weiterverbreitet, sondern auch bzw. zuvor bearbeitet wird. Je nach einschlägigen Lizenzbedingungen, z.B. bei der im Falle des LG Bochum betroffenen GPLv2, kann infolge des sog. Copyleft die zusätzliche Anforderung zu beachten sein, beim Vertrieb entsprechend geänderter bzw. angepasster oder teilimplementierter Software die angepasste bzw. die gesamte neue Software ebenfalls den Bedingungen der GPLv2 zu unterstellen und den zugehörigen Quellcode offenzulegen. Namentlich für proprietär angelegte Softwareentwicklungsprojekte kann dies selbstredend dramatische Konsequenzen nach sich ziehen.

Insgesamt gilt beim Thema Open Source Software stets das Motto: Open Source Software bedeutet nicht „Benutzung nach Belieben“. Auch wenn das LG Bochum in seiner Entscheidung zum Teil auf „freie“ Software Bezug nimmt, ist dies bei Open Source Software oftmals nur sehr eingeschränkt der Fall – „frei“ ist hier nur die Zugänglichkeit des Quellcodes, was hingegen nicht von der Pflicht zur Einhaltung der Lizenzbedingungen der Open Source Software entbindet.