Aufwandsbasierte Vergütung bei agilem Softwareentwicklungsprojekt

Das OLG Frankfurt a.M. hatte mit Urteil vom 17.08.2017 (Az. 5 U 152/16) über Vergütungsansprüche aus einem agilen Softwareentwicklungsprojekt zu entscheiden.

Hintergrund

Mit dem Begriff „agile Softwareentwicklung“ wird ein Softwareentwicklungsprozess beschrieben, der sich von traditionellen Vorgehensweisen maßgeblich dadurch unterscheidet, dass die Parteien keine Projektplanungsphase voranstellen, sondern sich zu Projektbeginn auf die Festlegung weniger Funktionen beschränken, um die Software sodann interativ und inkrementell in mehreren, in sich abgeschlossenen Teilschritten (Sprints) zu erstellen. Bei der Sprint-Planung werden – bezogen auf den jeweiligen Sprint – die umzusetzenden Anforderungen ausgewählt und in der Regel der damit verbundene Aufwand abgeschätzt. Die Software wird damit flexibel in kleinen Schritten nach Vorgaben des Auftraggebers entwickelt, ohne dass das Gesamtergebnis der Entwicklung zuvor bekannt ist. Häufig werden entsprechende Projekte nach dem Scrum-Modell aufgesetzt.

Da sich agile Projekte deutlich von klassischen „Wasserfall“-Modellen bzw. dem V-Modell abgrenzen, ist u. a. die vertragstypologische Einordnung als Dienstleistungs-, Werk- oder Gesellschaftsvertrag zwischen den Parteien häufig umstritten.

In einer aktuellen Entscheidung hatte das OLG Frankfurt als Berufungsgericht über die Zahlungsklage eines Softwarehauses aus einem agilen Projekt zu entscheiden.

Sachverhalt

Dem Berufungsverfahren lag die Klage eines Softwarehauses aus einem agilen Softwareerstellungsprojekt zugrunde.

Das LG Frankfurt a.M. hatte die Klage in der ersten Instanz mit der Begründung abgewiesen, auf das streitgegenständliche Vertragsverhältnis finde das Werkvertragsrecht Anwendung. Zwar scheitere der geltend gemachte Vergütungsanspruch der Klägerin nicht daran, dass ihre Leistung nicht fertiggestellt und abgenommen worden sei. Nach den Feststellungen des Gerichts seien die erbrachten Teilleistungen jedoch mangels hinreichender Dokumentation für die Beklagte unbrauchbar und damit letztlich wertlos.

Hiergegen richtete sich die Berufung der Klägerin.

Entscheidung des OLG Frankfurt a.M.

Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Der Senat ließ dahinstehen, ob der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Vertrag dem Dienst- oder Werkvertragsrecht unterlag. Während sich die Begründetheit der Forderung bei dienstvertraglicher Einordnung bereits aus dem Umstand ergebe, dass die Klägerin die geschuldeten und abgerechneten Leistungen unstreitig erbracht habe, wäre die Klage nach Auffassung des Senats auch bei Anwendung des Werkvertragsrechts begründet. Das Gericht ließ offen, ob dies bereits unmittelbar aus der vereinbarten agilen Vorgehensweise nach dem Scrum-Modell folge, nach der monatlich der Leistungsumfang für den Folgemonat geplant und der Aufwand des vorangegangenen Monats abgerechnet werde. In der jeweiligen Beauftragung für den Folgemonat könne insofern eine konkludente Billigung (Abnahme) des bislang Geleisteten zu sehen sein. Die monatlich abgerechneten Beträge seien nach Maßgabe der von den Parteien getroffenen Vereinbarung nicht lediglich als Abschlagszahlungen zu qualifizieren. Jedenfalls falle vorliegend aber zudem ins Gewicht, dass die Parteien im Jahr 2013 eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen hatten, aus der sich ergebe, dass die Beklagte die bis dahin erbrachten Leistungen als grundsätzlich vertragsgerecht anerkennen wollte. Da die Beklagte nach Auffassung des Senats weder eine Nachfrist gesetzt noch sonstige Mängelrechte förmlich geltend gemacht hatte, sah der Senat keine begründeten Einwendungen.

Der im Verfahren hinzugezogene Sachverständige hatte festgestellt, dass die Dokumentation der Systemarchitektur und der Systemkomponenten fehle. Hierzu führte der Senat jedoch aus, es sei nicht ersichtlich, dass die Dokumentation der Systemarchitektur und ihrer Komponenten bereits im Zeitpunkt des Abbruchs der Programmierarbeiten im Januar 2013 geschuldet gewesen sei. Vielmehr habe die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass die Dokumentation erst erfolgen könne und sinnvoll sei, wenn die Systemarchitektur und die letztendlich verwendeten Komponenten feststünden. Die Beklagte wiederum habe nicht vorgetragen, dass dies trotz des agilen, fortlaufend korrigierten Systems der Softwareerstellung bereits zum Zeitpunkt des Projektabbruchs der Fall war.

Praxishinweis

Auftraggeber müssen sich darüber bewusst sein, dass sie bei der Durchführung eines Softwareentwicklungsprojekts auf dienstvertraglicher Grundlage grundsätzlich das gesamte Risiko des Gelingens tragen. Erfolgt die Projektumsetzung bei einem agilen Ansatz auf werkvertraglicher Grundlage, kann die Beauftragung eines weiteren Sprints u. U. als (konkludente) Abnahme des/der vorangegangenen Sprints zu qualifizieren sein. Bei der Vertragsgestaltung sollten Auftraggeber deshalb auf Absicherungen achten, die einerseits eine Budget- und Qualitätskontrolle gewährleisten und andererseits Mängelrechte nicht auf einzelne Sprints beschränken.

Quelle: OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.08.2017 – 11 O 10/15