BGH – Bodendübel, ergänzender Leistungsschutz gestützt auf technische Merkmale eines Produkts

In einem Urteil vom 15.12.2016 (Az. I ZR 197/15) hat sich der BGH mit der Frage befasst, welche Beiträge technische Merkmale eines Produkts zu einer nach § 4 Nr. 9 UWG a.F. bzw. § 4 Nr. 3 UWG schutzfähigen Eigenart leisten können, wenn für diese Merkmale zwischenzeitlich Patentschutz bestand.

Technisch notwendige Gestaltungsmerkmale – also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen – können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Handelt es sich dagegen nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet.

Die Klägerin wehrte sich gegen die Kopie eines ehemals patentgeschützten Produkts. Das Berufungsgericht hatte einem Rohr, einem nach unten offenen Topf mit Löchern im Boden und einer aus zusammenlaufenden Einfaltungen gebildeten Spitze eine wettbewerbliche Eigenart abgesprochen. Das Produkt stelle die bevorzugte Ausführungsform der patentierten technischen Lehre dar, die die Vermutung der technischen Notwendigkeit der Gestaltungsmerkmale für sich habe. Die im wettbewerblichen Umfeld zu findenden Erzeugnisse seien keine gleichartigen Erzeugnisse, weil sie nicht auf der technischen Lehre des Patents aufbauten.

Der BGH trat dem Berufungsgericht in der Pauschalität der Beurteilung entgegen und verwies den Rechtsstreit zurück. Der Umstand, dass der nach Ablauf des Patentschutzes freie Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten ist, gebietet es nicht, vom abgelaufenen Patentschutz erfassten technischen Merkmalen eines Erzeugnisses aus Rechtsgründen von vornherein die Eignung abzusprechen, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (unter Verweis auf BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 23 – Exzenterzähne).

Einem (zuvor) patentgeschützten Erzeugnis kann wettbewerbliche Eigenart zukommen. Dabei können nicht nur solche Merkmale eines derartigen Erzeugnisses wettbewerbliche Eigenart begründen, die von der patentierten technischen Lösung unabhängig sind. Einem Erzeugnis ist im Hinblick auf den (früheren) Patentschutz seiner Merkmale die wettbewerbliche Eigenart nicht von vornherein zu versagen und es dadurch schlechter zu stellen als andere technische Erzeugnisse, die nicht unter Patentschutz standen (Festhaltung BGH, 22. Januar 2015 I ZR 107/13, GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne). (Leitsatz 1)

Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz sieht keinen allgemeinen Nachahmungsschutz einer technisch bedingten Produktgestaltung vor, sondern dient der Absicherung eines konkreten Leistungsergebnisses vor Nachahmungen, die im Einzelfall aufgrund eines unlauteren Verhaltens des Mitbewerbers zu missbilligen sind. Damit können die formgebenden technischen Merkmale eines Erzeugnisses als Herkunftshinweis dienen, auch wenn sie zur Monopolisierung der Warenform als dreidimensionale Marke ungeeignet sind (Leitsatz 2).

Technisch bedingte Produktmerkmale sind damit zukünftig differenzierter bei der Frage zu betrachten, ob von ihnen ein Beitrag zu der wettbewerblichen Eigenart eines Produkts ausgehen kann.