BGH – Konkretisierung der Anforderungen an das Vorbenutzungsrecht im Designrecht – IKEA MALM

Mit seiner Entscheidung vom 29.06.2017 konkretisiert der BGH (Az. I ZR 9/16) die Voraussetzungen an den Nachweis eines Vorbenutzungsrechts bzw. einer Parallelschöpfung (vgl. § 41 Abs. 1 GeschmMG/DesignG).

Rechte aus einem eingetragenen Design/Geschmacksmuster können mit dieser Regelung nicht gegenüber Dritten geltend gemacht werden, die im Inland ein identisches Muster, das unabhängig von einem eingetragenen Geschmacksmuster entwickelt wurde, gutgläubig in Benutzung genommen oder wirkliche und ernsthafte Anstalten zu einer solchen Benutzung getroffen haben. Der BGH stellt mit der vorliegenden Entscheidung klar, dass im Ausland getroffene Vorbereitungshandlungen für die Entstehung eines solchen Vorbenutzungsrechts nicht ausreichen, sondern vielmehr eine ernsthafte Vorbereitungshandlung in Deutschland stattgefunden haben muss.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Inhaberin eines eingetragenen Designs, welches ein Bettgestell zeigt. Das Klagedesign wurde am 15.07.2002 angemeldet und am 25.11.2002 in das Register des Deutschen Patent- und Markenamtes eingetragen. Während des Berufungsverfahrens wurde für dieses Design die Priorität der Ausstellung auf der Internationalen Möbelmesse in Köln am 14.01.2002 beantragt. Die Beklagte, die dem IKEA-Konzern angehört, ist für die Organisation und Belieferung der IKEA-Filialen in Deutschland zuständig. Seit August des Jahres 2002 hat die Beklagte unter der Bezeichnung „BERGEN“ ein Bettgestell beworben, welches ein geringfügig höheres Kopfteil aufweist als das zu Gunsten der Klägerin geschützte Design. Seit dem Jahr 2003 vertreibt die Beklagte unter der Bezeichnung „MALM“ ein Bettgestell, das mit dem zu Gunsten der Klägerin geschützten Design weitestgehend übereinstimmt. Die Klägerin sah in dem Vertrieb des Bettgestells „MALM“ eine Verletzung ihres Designs und nahm die Beklagte u. a. auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Die widerklagende Beklagte verteidigte sich vorrangig mit dem Argument, die IKEA of Sweden AB habe bereits von September bis Dezember 2001 – und damit deutlich vor dem Prioritätsdatum des Klagedesigns – das Bettgestell „BERGEN“ für den weltweiten Vertrieb entwickelt und konstruiert. Dieses Produkt sei ab Ende März 2002 an die IKEA-Filialen in Deutschland ausgeliefert worden, und damit läge ein Vorbenutzungsrecht bzw. eine Parallelschöpfung vor.

Entscheidung des BGH:

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Düsseldorf wiesen die Klage ab und gaben der Widerklage der Beklagten statt. Das Oberlandesgericht führte aus, die Klägerin könne der Beklagten den Vertrieb des Bettgestells „MALM“ nicht untersagen, da die IKEA of Sweden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits vor dem durch das Klagedesign in Anspruch genommenen Prioritätsdatum ernsthafte Anstalten zum Vertrieb des Vorgängermodells „BERGEN“ auch in Deutschland getroffen habe, ohne das Klagedesign gekannt zu haben. Dadurch habe sie ein Vorbenutzungsrecht nach § 41 Abs. 1 GeschmMG (jetzt § 41 Abs. 1 DesignG) erlangt, das sich auf den Vertrieb des Bettgestells „MALM“ über die Beklagte erstrecke.

Der BGH hebt dieses Urteil auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück. Nach Auffassung des BGH reichen die von der IKEA of Sweden AB im Ausland vorgenommen Vorbereitungshandlungen zum Vertrieb des Bettgestells „BERGEN“ in Deutschland für die Entstehung eines Vorbenutzungsrechts nach § 41 Abs. 1 GeschmMG/DesignG nicht aus. Erforderlich ist nach Ansicht des BGH vielmehr, dass die vom Gesetz verlangten wirklichen und ernsthaften Anstalten zur Benutzung ebenso wie eine Benutzung selbst im Inland – also in Deutschland – stattgefunden haben.

Ausblick:

Gewonnen ist der Prozess für den klagenden Designer damit noch nicht, entscheidende Fragen sind noch offen. Zu begrüßen ist allerdings, dass der BGH die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Vorbenutzungsrechts konkretisiert und damit letztlich auch die Position des Designers stärkt. Die Auffassung des BGH führt jedoch zu einer sehr strengen Auslegung, die insbesondere innerbetriebliche Vorgänge bei global agierenden Konzernen nicht berücksichtigt und damit für diese zu Nachteilen führen könnte.

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 100/2017 v. 29.06.2017