BGH bestätigt OLG Koblenz zur Darlegungs- und Beweislast bei IT-Projekten

Der BGH hat in einem langwierigen und wirtschaftlich bedeutsamen IT-Streitverfahren anlässlich eines gescheiterten IT-Projekts der Bundeswehr die von der Bundesrepublik Deutschland eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und den Streitfall damit formal und final beendet. Damit bleibt es im Ergebnis bei den vom OLG Koblenz verfolgten, hohen aber wohl in der Sache zutreffenden Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast bei IT-Streitverfahren. Der Rat kann nur lauten: dokumentieren!

Sachverhalt

In einem in den Jahren 2013 bis 2015 vor dem OLG Koblenz anhängigen Rechtsstreit hatte die Bundesrepublik Deutschland anlässlich der Anschaffung eines IT-Projekts als Klägerin die Rückzahlung einer geleisteten Vergütung in Höhe von mehr als EUR 40 Mio. verlangt. Die beauftragten Rüstungs- und IT-Unternehmen hatten widerklagend einen noch offenen Restwerklohn in Höhe von mehr als EUR 60 Mio. geltend gemacht.

Dem Rechtsstreit lag ein Projekt der Bundeswehr zugrunde, mit welchem diese versucht hatte, eine Vereinheitlichung verschiedener Auswertungssysteme zur Aufklärung von sicherheitsrelevanten Sachverhalten in einem neuen IT-System zu erreichen. Von dem bereits im Jahre 2002 geschlossenen Vertrag waren beide Seiten im Jahr 2008 zurückgetreten. Das Landgericht hatte – unter Zurückweisung der Widerklage – der anschließend erhobenen Rückzahlungsklage der Klägerin weitgehend stattgegeben, da es die erbrachten Teilleistungen als überwiegend wertlos eingestuft hatte.

Entscheidung

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 12.11.2015 – Az. 1 U 1331/13) auch die Klage abgewiesen. Darlegungs- und beweisbelastet für die Minderwertigkeit der übergebenen Projektleistungen sei die Klägerin gewesen. Dieser Nachweis sei ihr nicht gelungen, sodass sie die bereits geleistete Vergütung nicht habe zurückfordern können (OLG Koblenz, Rn. 134):

„Es fehlt bereits an einer differenzierten Darstellung, inwiefern die Klägerin bislang die von der Beklagtenseite gelieferten Hardware und körperlichen Gegenstände tatsächlich verarbeitet oder verbraucht hat und inwiefern sie Programmierleistungen im Einzelnen für andere Systeme verwendet hat oder nicht (mit Ausnahme des Chiffriersystems). Dies gilt insbesondere für die von der Beklagtenseite erhobenen Datenanalysen und Darstellungen, inwiefern einzelne Anforderungen umgesetzt werden können oder nicht. Insofern spricht auch § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB gegen eine behauptete Rückgabemöglichkeit, zumal der Senat davon ausgeht, dass diese im vorliegenden Fall auch nach der Natur der Sache ausgeschlossen ist. Die betrifft nicht nur die vertragliche Hauptleistung, sondern auch gezogene Nutzungen. Die Vorschrift ist anzuwenden auf Gebrauchsvorteile, Dienstleistungen, unkörperliche Leistungen, Unterlassungen und Werkleistungen, soweit sie nach der Natur der Sache nicht zurückgewährt werden können (BGH NJW 10, 2868). Vorliegend gilt dies zumindest für Analyseleistungen und Datenerhebungen, wenn auch nicht für alle übergebenen Gegenstände; es fehlt jedoch insoweit an einer differenzierten Darstellung der Klägerseite, worauf sich konkret die Rückgabebereitschaft bezieht. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin stets auf ein Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der Einzelheiten des Auftrages und der von der Beklagtenseite gefundenen Ergebnisse hinsichtlich Datenanalysen und Datenverwertungen berufen hat. Nach wie vor behandelt die Klägerin eine Vielzahl der Arbeitsergebnisse als Verschlusssachen, die sie selbst den Prozessbevollmächtigten nicht zur Verfügung stellen. Auch insofern müsste die Klägerseite differenziert darlegen, was sie konkret an die Beklagten herausgeben kann und für welchen Teil der Projektleistungen sie Wertersatz leisten will. Andererseits ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand zumindest insofern von einem widersprüchlichen Sachvortrag der Klägerin auszugehen. Der bisherige Sachvortrag der Klägerin war davon getragen, dass sie nicht bereit war (weil sie dazu auch überwiegend nicht befugt war), die Arbeitsergebnisse der Beklagten herauszugeben. Sie hat bislang auch stets damit argumentiert, dass sie deswegen dazu nicht verpflichtet sei, weil die Arbeiten der Beklagten wertlos seien. Erst nachdem der Senat darauf hingewiesen hat, dass er zunächst von einer Werthaltigkeit der Leistungen ausgehe, hat die Klägerin zuletzt erstmals die Bereitschaft erklärt, die Arbeitsergebnisse herauszugeben, ohne dies näher zu begründen und differenziert darzulegen.“

Ein Anspruch der Beklagten auf eine weitergehende Vergütung habe aber gleichfalls nicht bestanden, da die vertraglichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt gewesen seien (OLG Koblenze, Rn. 153):

„Da die Beklagten ihren Mehrvergütungsanspruch nicht aus dem Pauschalpreisvertrag entsprechend kalkulatorisch ableiten und für die geltend gemachten Ansprüche das vertraglich vorgesehene Verfahren bei veränderten Anforderungen (Change-Request) nicht eingehalten haben, entfällt ein Anspruch aus § 631 BGB (übliche Vergütung), aber auch aus § 242 BGB. Da eine Differenzierung im Hinblick auf die ursprüngliche Kalkulation nicht durchgeführt wurde, scheidet ein Anspruch (aus teilweise in der Rechtsprechung positiv entschiedenen Fällen) aus vertraglichen Nebenpflichtverletzungen aus, §§ 280 Abs. 1, 631 BGB. Selbst wenn für einen Pauschalpreisvertrag vorliegend eine nicht unerhebliche Veränderung des in einem Pauschalpreisvertrag vorgesehenen Leistungsinhalt stattgefunden hätte, die an den Grundlagen der getroffenen Preisvereinbarung gerührt hätte (BGH, Urteil vom 8. Januar 2002, Az.: X ZR 6/00, juris), hätte die Beklagtenseite dennoch stets gegen ihre vertraglich Nebenpflicht, diesen Umstand nach Anfall zeitnah zu melden, um die Kosten möglichst gering zu halten (vgl. a. wie §§ 313 Abs. 1 BGB, 2 Nr. 7 u. 5 VOB-B).“

Durch Beschluss vom 8.11.2017 hat der Bundesgerichtshof die von der Klägerin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Das Urteil des OLG Koblenz vom 12.11.2015 ist damit rechtskräftig. Eine Begründung für die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde liegt bislang nicht vor.

Konsequenzen

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass IT-Projekte in einem Streitverfahren oftmals langwierig sowie kostenintensiv sind und keinen „klaren Sieger“ kennen. Wenn man sich auf ein Streitverfahren im IT-Projektbereich einlassen möchte, ist unabdingbare Voraussetzung eine gut sortierte Projektdokumentation, welche den Projektverlauf, die Mängelkommunikation und auch die nicht selten erfolgenden Projektmeetings nebst Protokollen, Change-Request-Abreden, etc. belastbar dokumentiert. Ohne eine solche Dokumentation kann man sich Verfahren im IT-Bereich – „klare Fälle“, die es im IT-Bereich allerdings höchst selten gibt, einmal ausgeblendet – oftmals schlicht sparen.

Quelle: Pressemitteilung OLG Koblenz vom 13.12.2017