Grundsätzlich keine geschäftliche Handlung beim Vergleich zweier Produkte durch einen Wissenschaftler in einem Fachzeitschriften-Artikel

In seiner Entscheidung vom 11.05.2017 (Az. 6 U 76/16) hat das OLG Frankfurt a. M. konstatiert, dass ein Vergleich zweier Produkte im Rahmen eines Artikels in einer Fachzeitschrift, der für eines der Produkte nachteilig ist, grundsätzlich nicht als geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Nr. 1 UWG qualifiziert werden könne.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Herstellerin thermoplastischer Unterkieferprotrusionsschienen („UKPS“). Diese Schienen sollen bei Schlafapnoe helfen und können vom Patienten selbst angepasst werden. Die Produkte der Klägerin stehen daher im Wettbewerb mit individuellen Unterkieferprotrusionsschienen, die vom Zahnarzt individuell angepasst und u. a. von der A-Gruppe vertrieben werden.

Der Beklagte ist ein auf Schlafmedizin spezialisierter Arzt. Zudem ist er Assistenzprofessor und Lehrbeauftragter an einer medizinischen Fakultät. Atmungsbedingte Schlafstörungen bilden den Schwerpunkt seiner Forschung und Behandlungstätigkeit. Im Jahr 2014 veröffentlichte der Beklagte in einer weltweit führenden Fachzeitschrift für Schlafmedizin als Co-Autor einen Aufsatz, in welchem u. a. die folgende Aussage enthalten war:

„Beim direkten Vergleich der Wirksamkeit von thermoplastischen und individuellen UKPS wurde in einer Studie mit einem ‚cross-over-design‘ über 4 Monate, an der 35 Patienten teilnahmen, herausgefunden, dass nach der Behandlung der AHI-Index nur unter Therapie mit der individuellen UKPS reduziert wurde. Das thermoplastische Gerät zeigte eine viel geringere Wirksamkeit […].

In einer Fußnote zu dieser Textpassage wurde auf eine im Jahr 2008 u. a. von dem Beklagten veröffentlichte Studie verwiesen, bei der ein Entwicklungsprodukt der Klägerin verwendet worden war, welches jedoch nie auf den Markt gebracht wurde.

Mit Versäumnisurteil hat das LG Frankfurt a. M. den Beklagten im Juni 2015 – welches auch auf den Einspruch des Beklagten im März 2016 aufrechterhalten wurde – unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,

„unter Berufung auf die X-Studie ‚Name1‘ in Bezug auf intraorale Schienen zu behaupten, dass beim direkten Vergleich von thermoplastischen und individuellen Unterkieferprotrusionsschienen das thermoplastische Gerät eine viel geringere Wirksamkeit zeigte, so wie bei dem in ‚Magazin1‘ in 2014 auf den Seiten „xy“ veröffentlichten Artikel geschehen“.

Hiergegen wandte sich der Beklagte erfolgreich mit der zulässigen Berufung.

Entscheidung:

Das OLG verneint einen Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der monierten Aussage nach §§ 8 Abs. 1, 3, 5 UWG. Zwar bestätigt der Senat in erster Linie die Mitbewerbereigenschaft zwischen der Klägerin und der A-Gruppe gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, jedoch stellt er fest, dass es an einer geschäftlichen Handlung i. S. d. § 2 Nr. 1 UWG fehlt.

Mitbewerbereigenschaft nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG

Die Klägerin habe vorgebracht, dass der in Rede stehende Zeitschriftenartikel fremden Wettbewerb, nämlich den Absatz der Produkte der A-Gruppe, die die individuell angepassten Schienen vertreibe, fördere. Das OLG macht deutlich, dass bei der Förderung fremden Absatzes maßgeblich sei, ob ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Anspruchsteller und dem geförderten Unternehmen bestehe. Dies sei vorliegend zwischen der Klägerin und der A-Gruppe unzweifelhaft der Fall.

Keine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Nr. 1 UWG

Der Senat führt hinsichtlich der Beurteilung der geschäftlichen Handlung i. S. d. § 2 Nr. 1 UWG aus, dass von einer solchen nur dann ausgegangen werden könne, wenn das beanstandete Verhalten bei der gebotenen objektiven Betrachtung dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs der Waren oder Dienstleistungen diene. Insbesondere wissenschaftliche oder verbraucherpolitische Äußerungen von Personen oder Unternehmen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs stünden, würden daher nicht von dieser Vorschrift und dem UWG erfasst. Entsprechende Äußerungen wirkten sich nämlich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung der Verbraucher aus, weshalb diese nicht als geschäftliche Handlungen zu qualifizieren seien.

Das OLG stellt fest, dass der Fachartikel des Beklagten vorrangig anderen Zielen als einer Absatzförderung diente. So sei der Beklagte Wissenschaftlicher und Arzt an einer Universitätsklinik. Überdies betreffe der Artikel sein Forschungsgebiet und sei von seiner Art und Struktur einem wissenschaftlichen Fachaufsatz gleichzusetzen. Da der Artikel folglich vorwiegend wissenschaftlichen Zwecken diene, könne sich der Beklagte auf die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG berufen. Vermeintliche Auswirkungen auf den Absatz von thermoplastischen Unterkieferprotrusionsschienen durch den Artikel seien demnach nur als reflexartige Nebenwirkungen zu qualifizieren.

In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Beklagte einen wissenschaftlichen Fachbeitrag nur gewählt habe, um in Wirklichkeit Werbung für ein Produkt zu machen. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass die in der Fußnote des in Rede stehenden Artikels in Bezug genommene Vergleichsstudie von der A-Gruppe finanziell unterstützt worden sei. Vielmehr stelle die Verwendung von Drittmitteln bei wissenschaftlichen Studien von Universtäten eine typische Vorgehensweise dar, zudem habe auch die Klägerin die Studie unterstützt. Überdies berücksichtigt der Senat in dieser Hinsicht auch, dass der Beklagte im Anhang seines Aufsatzes offengelegt habe, dass die A-Gruppe für die Studie Forschungsmittel zur Verfügung gestellt habe. Ferner sei nicht erkennbar, dass die Studienergebnisse durch die Förderung beeinflusst worden seien.

Weiter konstatiert das OLG in seiner Entscheidung, dass eine Absatzförderung auch nicht aus einer mangelnden Objektivität des Fachartikels folge. Zwar könne als Indiz für eine geschäftliche Handlung gewertet werden, wenn eine Veröffentlichung in bewusst irreführender Weise die geschäftliche Entscheidung der Verbraucher beeinflusse, jedoch sei von einer solchen vorliegend nicht auszugehen. So sei nicht feststellbar, dass die Äußerung objektiv derart falsch oder schlechterdings unvertretbar sei, dass nicht mehr angenommen werden könne, dass der Beklagte ausschließlich seine wissenschaftliche Meinung darstellen wollte. Hiergegen spreche auch nicht, dass die in Bezug genommene Studie thermoplastische Schienen betroffen habe, bei denen es sich zum damaligen Zeitpunkt lediglich um Prototypen der Klägerin handelte. Zudem sei Gegenstand der Studie in erster Linie nicht der Vergleich thermoplastischer und individueller Schienen, sondern der Vergleich einer konventionellen Behandlungsmethode für Schlafapnoe-Patienten und der Therapie mittels Kieferschiene gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der finanziellen Förderung der Universität des Beklagten durch die A-Gruppe, da eine solche Förderung der Wissenschaft durch Unternehmen ebenfalls üblich sei und nicht ohne Weiteres dazu führe, dass die Publikation der Wissenschaftlicher als geschäftliche Handlung qualifiziert werden können.

Abschließend stellt das OLG fest, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB aufgrund eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zustehe, da die in Rede stehende Aussage in dem Artikel nicht betriebsbezogen sei, sondern vielmehr thermoplastische Unterkieferprotrusionsschienen allgemein betreffe.