Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Unionsmarkenverletzung

Mit brandaktuellem Urteil vom 09.11.2017 (Az. I ZR 164/16) hat der Bundesgerichtshof auf die Revision der von unserer Sozietät vertretenen beklagten Partei ein zugunsten der Klägerin ergangene Urteil des Oberlandesgerichts München wegen Unzuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit aufgehoben.

Die Leitsätze der BGH-Entscheidung „Parfummarken“ lauten:

  • Bei der Bestimmung des für die internationale Zuständigkeit nach Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 maßgeblichen schadensbegründenden Ereignissen in Fällen, in denen demselben Beklagten in verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen in Form der „Benutzung“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgeworfen werden, ist nicht auf jede einzelne Verletzungshandlung abzustellen, sondern es ist eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht.
  • Bietet ein Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Internetseite, die sich an Abnehmer in anderen Mitgliedstaaten richtet, unter Verletzung der Rechte aus einer Unionsmarke Waren zum Kauf an, die auf dem Bildschirm betrachtet und über die Internetseite bestellt werden können, ist der Ort des für die internationale Zuständigkeit maßgeblichen schadensbegründenden Ereignisses im Sinne von Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots durch den Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Internetseite in Gang gesetzt worden ist, und nicht der Ort, an dem die Internetseite abgerufen werden kann. Kommt der Kontakt zu Abnehmern in anderen Mitgliedstaaten dadurch zustande, dass der Händler Produkt- und Preislisten per E-Mail versendet, ist der Ort des schadensbegründenden Ereignisses der Ort, an dem die Versendung der E-Mail veranlasst wird.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs setzt Maßstäbe für die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Klagen wegen Verletzung von Unionsmarken. Kernfrage der rechtlichen Auseinandersetzung war vorliegend, ob die Klägerin eine im Inland begangene Verletzungshandlung der Beklagten im Sinne des Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 behauptet hat und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit ist die Frage, wo eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellt dieser Anknüpfungspunkt auf ein aktives Verhalten des Verletzers ab und zielt damit auf denjenigen Mitgliedstaat, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht, und nicht auf den Mitgliedstaat, in dem die Verletzung ihre Wirkung entfaltet (Rn. 27 der Entscheidung).
Der Bundesgerichtshof stützt sich für seine Rechtsauffassung im Wesentlichen auf ein ebenfalls jüngeres Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (vom 27.09.2017, Rs. C-24/16 – Nintendo/BigBen). Zwar sei dieses Urteil zur Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) ergangen. Wegen der inhaltlichen Übereinstimmungen der einschlägigen Vorschriften dieser Verordnung mit denjenigen über die Gemeinschaftsmarke und die Unionsmarke ist die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union aber auf das Markenrecht übertragbar (Rn. 30 der Entscheidung).

Ausdrücklich (Rn. 50 der Entscheidung) befand der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung, dass auch die Klage auf Erstattung der Abmahnkosten wegen der behaupteten Verletzung von Unionsmarken nicht in die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte fällt.

Hinzuweisen ist aber darauf, dass die Ausführungen zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte bei auf Unionsmarken gestützte Klageverfahren nicht gelten für auf deutsche Marken gestützte Verletzungsverfahren sowie auf Verfahren, in denen die Verletzung von IR-Marken geltend gemacht wird, wenngleich die Entscheidung sich hier noch mit der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO befasste, da die streitgegenständliche Klage vor dem 9.01.2015 eingeleitet worden war und damit Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO noch nicht zur Anwendung gelangen konnte.