Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft getreten

Am 01.10.2017 ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Kraft getreten.

Hintergrund – politisch und tatsächlich

Ziel des Gesetzes ist es, sogenannte „soziale Netzwerke“ – das sind Online-Dienste, die eine Plattform zum Austausch unter ihren Nutzern oder zur Veröffentlichung von Inhalten betreiben – zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden insbesondere über Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte anzuhalten.

Das Gesetz soll die gesetzgeberische Antwort auf eine jahrelange und intensiv geführte gesellschaftliche und politische Diskussion sein, deren Anlass eine latente Unzufriedenheit im tatsächlichen und rechtlichen Umgang mit Persönlichkeitsrechtsverletzungen und strafbaren Äußerungen in sozialen Netzwerken gewesen ist. Insbesondere die Reaktionszeiten auf individuelle Beschwerden, aber auch die Erreichbarkeit der Netzwerk-Betreiber und die Möglichkeiten ihrer rechtlichen Inanspruchnahme wurden scharf kritisiert. In der gesellschaftlichen und politischen Wahrnehmung sind die freiwilligen Maßnahmen der sozialen Netzwerke weder effektiv noch breit genug aufgestellt.

Überblick – Inhalte

Persönlicher Anwendungsbereich

Auf persönlicher Ebene erfasst das NetzDG Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht ein soziales Netzwerk betreiben (§ 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG) und mehr als zwei Millionen registrierte Nutzer haben (§ 1 Abs. 2 NetzDG). Vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind hingegen journalistisch-redaktionelle Angebote sowie Plattformen, die allein der Individualkommunikation oder der Verbreitung spezifischer Inhalte dienen (§ 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG).

Sachlicher Anwendungsbereich

In sachlicher Hinsicht erstrecken sich die Pflichten aus dem NetzDG allein auf rechtswidrige Inhalte im Sinne des Gesetzes. Rechtswidrig im Sinne des NetzDG sind Inhalte, die einen der in § 1 Abs. 3 NetzDG aufgezählten Straftatbestände erfüllen. Dazu gehören u. a. Volksverhetzung (§ 130 StGB), Gewaltdarstellung (§ 131 StGB), Äußerungsdelikte (§§ 185 – 187 StGB) oder Bedrohung (§ 241 StGB) [nicht abschließend].

Pflichtenkatalog

Das NetzDG enthält neben einer umfassenden Berichtspflicht (§ 2 NetzDG) Vorgaben zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte (§ 3 NetzDG).

Die Berichtspflicht erfasst nur solche sozialen Netzwerke, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen und darüber hinaus mehr als 100 Beschwerden jährlich über rechtswidrige Inhalte erhalten (§ 2 Abs. 1 NetzDG). Der Bericht ist selbst zu erstellen, hat den Umgang mit Beschwerden darzustellen und ist sowohl auf der eigenen Homepage als auch im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Die inhaltlichen Mindestanforderungen an den Bericht ergeben sich aus § 2 Abs. 2 NetzDG.

Im praktischen Umgang mit Beschwerden differenziert das Gesetz zwischen „rechtswidrigen“ und „offensichtlich rechtswidrigen“ Inhalten.

Während offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde entfernt oder gesperrt werden müssen (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 NetzDG), müssen rechtswidrige Inhalte unverzüglich, spätestens sieben Tage nach Eingang der Beschwerde entfernt oder gesperrt werden (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 NetzDG). Die Frist kann sich verlängern, wenn die Stellungnahme zu einer Tatsachenbehauptung vom Äußernden eingeholt wird oder das soziale Netzwerk sich der Entscheidung einer Einrichtung der regulierten Selbstregulierung unterwirft, die gemäß § 3 Abs. 6 NetzDG anerkannt wurde.

Bußgelder

Verstöße gegen die Vorgaben des NetzDG, die die Grenzen zur Ordnungswidrigkeit überschreiten (vgl. § 4 Abs. 1 NetzDG), können mit Bußgeldern bis zu 5 Millionen Euro bestraft werden (§ 4 Abs. 2 NetzDG). Das gilt auch, wenn sie im Ausland begangen werden (§ 4 Abs. 3 NetzDG), was von besonderer Bedeutung für Fälle ist, in denen die Server der sozialen Netzwerke nicht in Deutschland stehen.

Zustellungsbevollmächtigter im Inland

Darüber hinaus müssen Anbieter sozialer Netzwerke einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland benennen, an den Zustellungen in Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 4 NetzDG, aber auch in Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten wegen der Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten im Sinne des Gesetzes bewirkt werden können. Auch das hat eine besondere praktische Bedeutung, da den Betroffenen langwierige und kostenintensive Zustellungsverfahren ins Ausland erspart bleiben, die gerichtliche Verfahren erheblich verzögern.

Kritik – gefährdete Meinungsfreiheit

Das NetzDG sieht sich – trotz seiner im Kern befürworteten Intention – erheblicher nationaler und internationaler Kritik ausgesetzt. Ein breites Bündnis aus netzpolitischen Initiativen, Bürgerrechtsorganisationen und Journalistenverbänden, aber auch die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) befürchten einen sogenannten Overblocking-Effekt und die Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Der Begriff des Overblocking steht für eine – angesichts drohender Bußgelder – zu extensive Löschungspraxis, die letztlich eine Einschränkung der Meinungsfreiheit zur Folge hätte. Angesichts fehlender Mechanismen, mit denen sich von fälschlichen Löschungen betroffene Nutzer effektiv wehren können, ist bereits angekündigt worden, dass Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingelegt werden wird.

Rechtsanwältin Jennifer Hort-Boutouil, LL.M. Eur.
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