Panoramafreiheit gilt auch für urheberrechtlich geschützte Werke auf Schiffen und Fahrzeugen

Laut § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG („Panoramafreiheit“) ist es zulässig, urheberrechtlich geschützte „Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.“ Mit Urteil vom 27.04.2017 hat der BGH entschieden, dass sich die Panoramafreiheit auch auf Kunstwerke auf Schiffen und Fahrzeugen erstreckt, die sich an öffentlichen Orten befinden.

Gegenstand der Entscheidung war der (durch Urheberrecht geschützte) AIDA-Kussmund, der sich auf den Außenwänden der AIDA-Kreuzfahrtschiffe befindet. Ein Anbieter von Landausflügen hatte eines dieser Kreuzfahrtschiffe fotografiert und das Foto auf seine Internetseite gestellt.

Obwohl sich die Kreuzfahrtschiffe mit den darauf abgebildeten Kussmündern nicht dauerhaft an einem öffentlichen Ort befinden, ist die Panoramafreiheit des § 59 UrhG anwendbar. Der BGH hat damit klargestellt, dass das Kriterium in § 59 UrhG, dass sich ein Werk bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden muss, nicht mit ortsfest gleichzusetzen ist. Das Kriterium soll laut Pressemitteilung immer dann erfüllt sein, wenn ein Werk von Orten aus wahrgenommen werden kann, die sich unter freiem Himmel befinden und für jedermann frei zugänglich sind. Dass sich ein Werk an unterschiedlichen öffentlichen Orten befindet, sich bewegt und den Ort wechselt, soll unschädlich sein. Entscheidend soll sein, dass sich das Werk aus Sicht der Allgemeinheit dauerhaft an öffentlichen Orten befindet. Außerdem muss die Vervielfältigung (z. B. durch Foto oder Film) von einem öffentlich frei zugänglichen Ort angefertigt worden sein. Ausdrücklich erwähnt der BGH als Anwendungsfall der Panoramafreiheit beispielhaft auch Werke auf Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr, beschränkte sein Urteil also nicht auf Schiffe.

Dieser Auslegung von § 59 UrhG liegt der Gedanke zugrunde, dass andernfalls das Fotografieren und Filmen im öffentlichen Raum unverhältnismäßig eingeschränkt wäre. Wer ein Kunstwerk für den öffentlichen Raum schafft, muss es hinnehmen, dass sein Werk fotografiert und auf diese Weise vervielfältigt und später verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht wird.

Praxishinweis

Im Anwendungsbereich der Panoramafreiheit angefertigte Vervielfältigungen von geschützten Werken (z. B. Fotos) dürfen grundsätzlich auch kommerziell verwertet werden. Auch im hier vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Verwendung des Fotos zu kommerziellen Zwecken. Zu beachten ist aber, dass der Eigentümer einer Sache den Zugang zu der Sache regeln und unter Bedingungen stellen kann.

Vorsicht ist auch bei im Ausland angefertigten Aufnahmen geboten. Die in Deutschland als „Panoramafreiheit“ bekannte Beschränkung des Urheberrechts ist keine europäisch harmonisierte Schranke und deshalb auch längst nicht in allen EU-Mitgliedsstaaten etabliert.

Quelle: BGH Az. I ZR 247/15 vom 27.04.2017 (Pressemitteilung)