BGH zum unlauteren Wettbewerb bei behördlich veranlassten Bestattungen

Der BGH beschäftigt sich im Urteil vom 27.07.2017 (I ZR 162/15) mit der Frage, ob eine Gemeinde eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vornimmt, wenn sie statt – private Anbieter – ausschließlich ihren Eigenbetrieb mit behördlich zu veranlassenden Bestattungen betraut.

Anlass der Entscheidung war die Klage eines Bestattungsinstitut-Betreibers gegen die Stadt F als Betreiberin von Friedhöfen. Mit der Begründung, dass deren Verhalten wettbewerblich unlauter sei, wandte der Kläger sich dagegen, dass die Beklagte seit 2005 die behördlich veranlassten Bestattungen, d.h. solche Bestattungen, bei denen die bestattungspflichtigen Angehörigen nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattungen sorgen, ausschließlich über den Eigenbetrieb vornehmen ließ. Er machte geltend, dass die Stadt die nur ihr zur Verfügung stehenden Informationen über Sterbefälle von Personen ohne Angehörige für ihre eigenen Geschäftsinteressen ausnutze und ausschließlich ihren Eigenbetrieb mit behördlich veranlassten Bestattungen beauftrage, ohne zuvor Angebote privater Anbieter zu überprüfen.

Der BGH schloss sich den Vorinstanzen an und kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruches nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1 UWG nicht erfüllt seien. Es fehle an einer geschäftlichen Handlung der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Dabei sei die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand auch dann als geschäftliche Handlung anzusehen, wenn öffentliche Zwecke mitverfolgt werden. Dagegen sei bei einer Tätigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben danach zu unterscheiden, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird, wobei es maßgeblich auf die Bestimmungen ankomme, die der streitigen Handlung zugrunde liegen.
Ist ein hoheitliches Handeln aufgrund gesetzlicher Ermächtigung zu bejahen, sei die Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen. Handelt die öffentliche Hand zwar zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, wird sie aber ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig, sei eine geschäftliche Handlung nicht ausgeschlossen. Sie sei indes auch nicht ohne Weiteres zu vermuten, sondern anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalles besonders festzulegen. Dabei seien die konkreten Auswirkungen des Handelns der öffentlichen Hand im Wettbewerbsrecht maßgeblich sowie die Frage, ob das Tätigwerden zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe nach Art und Umfang sachlich notwendig ist und die Auswirkungen auf den Wettbewerb nur notwendige Begleiterscheinung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben sind.

Im vorliegend zu entscheidenden Fall ist der BGH von einem Tätigwerden aufgrund gesetzlicher Ermächtigung, nämlich § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW, ausgegangen. Der dort maßgebliche Begriff der „Veranlassung“ umfasse nach seinem Wortsinn nicht nur das „Ob“, sondern ebenfalls die zweite Stufe der behördlichen Entscheidung über das „Wie“, da insbesondere zu berücksichtigen sei, dass die gemäß § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW behördlich zu veranlassenden Bestattungen zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren auch dann zwingend durchzuführen seien, wenn private Bestattungsunternehmen aus terminlichen Gründen oder aufgrund von Kapazitätsproblemen dazu im Einzelfall nicht in der Lage sind. Aus der Tatsache, dass eine Beauftragung Privater zur Durchführung dieser Bestattungen gesetzlich erlaubt ist, folge nicht, dass die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung auf der zweiten Stufe nicht ebenfalls aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird: Auch die Durchführung einer behördlich anzuordnenden Maßnahme durch Private sei jedenfalls ein der wettbewerbsrechtlichen Überprüfung entzogenes hoheitliches Handeln, wenn ein Unternehmen durch privatrechtlichen Vertrag ohne eigene Entscheidungsmacht als verlängerter Arm der Verwaltungsbehörde im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig wird. Lässt die öffentliche Hand solche Maßnahmen nicht durch Private, sondern – wie hier – durch einen Eigenbetrieb durchführen, liege erst recht ein rein hoheitliches Handeln vor. Dieses Handeln sei daher einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts (etwa unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, §§ 18 Abs. 1 Nr. 1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB) entzogen.

Mit dem Urteil hat der BGH der Sicherstellung der Bestattung innerhalb der gesetzlichen Vorgaben Priorität eingeräumt. Zwar kann dies für private Bestattungsunternehmer zukünftig zu einem zunehmenden Verlust von Tätigkeitsfeldern und damit einem gravierenden wettbewerblichen Einschnitt führen. Trotz der Bedeutsamkeit eines intakten Wettbewerbs und der dafür erforderlichen Reglementierung hoheitlichen Handelns muss dieses wirtschaftliche Interesse zurücktreten: Sinn und Zweck der Bestattungsvorschriften, nämlich Gesundheitsgefahren abzuwehren und die Belange der Verstorbenen im Hinblick auf eine angemessene Bestattung in würdiger und ortsüblicher Form zu berücksichtigen, sind unbedingt zu gewährleisten und gebieten es, dass unverzüglich gehandelt werden kann, ohne erst diverse Auswahl- und Ermessensverfahren durchlaufen zu müssen.

Quelle: BGH v. 27.07.2017, I ZR 162/15