BGH zur Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung

Der BGH stellt in seinem Urteil „Trommeleinheit“ klar, dass für die Beurteilung der Frage, ob der Austausch von Teilen einer mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebrachten Vorrichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehört oder eine patentverletzende Neuherstellung darstellt, als maßgeblicher Bezugspunkt das geschützte Erzeugnis auch dann heranzuziehen ist, wenn der Berechtigte ein Exemplar des geschützten Erzeugnisses als Bestandteil eines umfassenderen Gegenstands in Verkehr gebracht hat (Urteil vom 24.10.2017, Az. X ZR 55/16 – Trommeleinheit).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Patent, das ein Erzeugnis betrifft, hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Die rechtmäßigen Erwerber wie auch diesen nachfolgende Dritterwerber – einschließlich Wettbewerber des Patentinhabers – sind befugt, diese Exemplare bestimmungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder zu einem dieser Zwecke Dritten anzubieten.

Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehören die Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähigkeit des konkreten Exemplars ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädigung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Vom bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht umfasst sind hingegen alle Maßnahmen, die darauf hinauslaufen, ein patentgemäßes Erzeugnis erneut herzustellen. Die ausschließliche Herstellungsbefugnis des Patentinhabers wird mit dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses nicht erschöpft.

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung ist das mit dem maßgeblichen Patentanspruch geschützte Erzeugnis. In seiner aktuellen Entscheidung stellt der BGH heraus, dass Letzteres auch dann gelte, wenn der Berechtigte das geschützte Erzeugnis als Bestandteil eines umfassenderen Gegenstands in den Verkehr gebracht hat. Diese Frage sei für die bisherigen Entscheidungen des BGH zu diesem Thema nicht relevant gewesen.

Für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung ist grundsätzlich in erster Linie maßgebend, ob die ergriffenen Maßnahmen die Identität des bereits in Verkehr gebrachten konkreten Exemplars eines patentgemäßen Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses gleichkommen. Vorrangig erfolgt dabei eine Orientierung an der Verkehrsauffassung. Allerdings – so der BGH – ist eine Ausnahme grundsätzlich geboten, wenn ein Patentanspruch ein aus mehreren Teilen bestehendes Erzeugnis schützt, der Berechtigte jedoch nur Gegenstände in Verkehr bringt, die nochmals weitere Bestandteile umfassen. In diesem Fall sei nicht auf eine fiktive Verkehrsauffassung abzustellen, sondern für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung allein darauf, ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln.

Der BGH bestätigt in seiner Entscheidung darüber hinaus das OLG Düsseldorf in seiner Auffassung, dass eine freiwillige Vereinbarung (Industry voluntary agreement to improve the environmental performance of the imaging equipment placed on the European market), in der sich Anbieter zur Einhaltung bestimmter Standards zum Zwecke des Umweltschutzes verpflichtet haben, keine Rechtspositionen zugunsten von privaten Dritten begründet.

Amtliche Leitsätze:

Richtlinie 2009/125/EG

Aus einer freiwilligen Vereinbarung, in der sich Unternehmen gegenüber der Europäischen Kommission zur Einhaltung bestimmter Standards zum Zwecke des Umweltschutzes verpflichtet haben, um eine zwingende Regelung der Kommission gemäß Art. 15 der Richtlinie 2009/125/EG zu vermeiden, ergeben sich grundsätzlich keine Rechte Dritter.

PatG § 9 Satz 2 Nr. 1

a) Für die Beurteilung der Frage, ob der Austausch von Teilen einer mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebrachten Vorrichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehört oder eine Neuherstellung darstellt, ist als maßgeblicher Bezugspunkt das geschützte Erzeugnis heranzuziehen. Dies gilt auch dann, wenn der Berechtigte ein Exemplar des geschützten Erzeugnisses (hier: eine Bildtrommeleinheit) als Bestandteil eines umfassenderen Gegenstands (hier: einer Prozesskartusche) in Verkehr gebracht hat.

b) Wenn ein Patentanspruch ein aus mehreren Teilen bestehendes Erzeugnis schützt, der Berechtigte jedoch nur Gegenstände in Verkehr bringt, die nochmals weitere Bestandteile umfassen und deshalb im Hinblick auf das geschützte Erzeugnis eine tatsächliche Verkehrsauffassung nicht festgestellt werden kann, ist für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung allein darauf abzustellen, ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln (Ergänzung zu Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 97/11, GRUR 2012, 1118 – Palettenbehälter II).

BGH, Urteil v. 24.10.2017, Az. X ZR 55/16 – Trommeleinheit