BGH zur „Mogelpackung“ bei Kosmetikprodukten

Der BGH hat in dem Rechtsstreit der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. gegen das Unternehmen Beiersdorf das Vorliegen einer „Mogelpackung“ verneint (Urt. v. 11.10.2017, Az. I ZR 78/16 – Tiegelgröße).

Zum Sachverhalt

Das Unternehmen vertreibt unter der Marke „Nivea“ Gesichtspflegecremes in Faltschachteln, die ca. 7 cm hoch sind und in der auf der Höhe von 3 cm ein Boden aus Pappe („Podest“) eingezogen ist. Auf diesem Boden steht ein 4 cm hoher, rund ausgeformter Tiegel, der die Gesichtscreme in einer Menge von 50 ml enthält. Die Füllmenge des Tiegels ist auf der Verpackungsunterseite zutreffend mit 50 ml angegeben. Auf der rechten Seite der Umverpackung befindet sich außerdem eine fotorealistische Abbildung des Cremetiegels in dessen natürlicher Größe mit dem Hinweis „Diese Produktabbildung entspricht der Originalgröße“.

Die Wettbewerbszentrale sah hierin den Verkauf einer „Mogelpackung“, der gegen § 43 Abs. 2 Mess- und Eichgesetz (MessEG) sowie gegen das Irreführungsverbot aus § 5 Abs. 1 UWG verstoße. Während das LG Hamburg die Klage zunächst abgewiesen hatte, gab das OLG Hamburg dieser statt (OLG Hamburg, GRUR-RR 2016, 248 = WRP 2016, 612).

Zur Entscheidung des BGH

Der BGH hob das Berufungsurteil auf und stellte das erstinstanzliche klageabweisende Urteil des LG Hamburg wieder her.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts geht der BGH davon aus, dass keine Fehlvorstellung des angesprochenen Verkehrs im Sinne des § 5 UWG über die Tiegelgröße vorliegt, da davon auszugehen sei, dass der Verbraucher die Abbildung des Cremetiegels und den Hinweis auf seine Originalgröße wahrnehme und verstehe. Bei dem Kauf von Gesichtscremes, die unmittelbar an prominenter Stelle auf dem Körper aufgetragen würden, lege der Verbraucher eine gesteigerte Aufmerksamkeit an den Tag. Wie auch bei Lebensmittel achte der Verbraucher aufgrund von Allergien und Unverträglichkeiten sowie weiterer kaufrelevanter Hinweise zur Konsistenz, Duftrichtung sowie zu den Anwendungsgebieten und –arten in gesteigertem Maße auf die Gestaltung der Umverpackung und nehme nicht nur die Schauseite der Umverpackung, sondern auch die Seitenansicht wahr, auf der im konkreten Fall die Abbildung des Cremetiegels und der Hinweis auf seine Originalgröße zu finden sei.

Zudem sei eine Fehlvorstellung allein über die Tiegelgröße entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts grundsätzlich nicht geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Es sei grundsätzlich fernliegend, dass die Größe des Tiegels als solche, also unabhängig von der in ihm enthaltenen Füllmenge der Ware, einen eigenständigen Wert für den angesprochenen Verbraucher darstellen könne.

Zu Recht sei das Berufungsgericht im Übrigen davon ausgegangen, dass kein Verstoß gegen § 43 Abs. 2 MessEG gegeben sei, da keine Irreführung über die Füllmenge vorliege. Die Füllmenge sei deutlich auf der Umverpackung wiedergegeben. Außerdem sei der Verkehr bei Cremeprodukten – wie auch bei Pralinen oder Parfümprodukten – gewöhnt, dass die Umverpackung in keinem Verhältnis zu der beinhalteten Füllmenge stehe.

Zusammenfassung

Was bisher schon für Lebensmittel galt, gilt nun auch für Kosmetikprodukte wie Gesichtscremes. Der BGH geht davon aus, dass der Verbraucher jedenfalls beim ersten Kauf eines Produktes dieses aus dem Regal nimmt, um alle Seiten der Umverpackung nach bestimmten Hinweisen genauer zu untersuchen. Daher genügt es, dass wichtige Informationen bei derartigen Pflegeprodukten dem Verbraucher z. B. auf der Seitenansicht mitgeteilt werden.

Im Übrigen hat der BGH in seinen Ausführungen betont, dass der Kläger grundsätzlich sämtliche Irreführungsaspekte schlüssig vortragen muss, auf denen ein Unterlassungsantrag wegen Irreführung gestützt werden soll. Nur so habe der jeweilige Beklagte hinreichende Möglichkeit zur Verteidigung. Das sich mit der Sache befassende Gericht dürfe daher nicht solche Irreführungsaspekte seinem Urteilsausspruch zu Grunde legen, die der Kläger nicht schlüssig vorgetragen habe.

Quelle: BGH, Urt. v. 11.10.2017, Az. I ZR 78/16