Inhalte eines Google-Snippets können Persönlichkeitsrechtsverletzung sein

Das Oberlandesgericht Köln hat jüngst über eine Konstellation entschieden, die sich von den sonst regelmäßig auftretenden Konstellationen, in denen natürliche Personen den Suchmaschinen-Anbieter Google wegen persönlichkeitsrechtsverletzender Suchergebnisse in Anspruch nehmen, unterscheidet (Urteil v. 25.01.2018 – 15 U 56/17).

Der Sachverhalt

Regelmäßig wird Google auf Unterlassung in Anspruch genommen, da entweder die über die Suchergebnisse verlinkten Inhalte Persönlichkeitsrechte verletzen oder aber die angebotenen autocomplete-Vorschläge für die Suchbegriffe in die Rechte Einzelner eingreifen sollen.

Im vorliegenden Fall war der Inhalt des verlinkten Sucherergebnisses rechtmäßig. Der Google-Suchalgorithmus hatte in dem sogenannten „Snippet“ (die kurze Zusammenfassung einer Webseite in Form eines Textsegments auf der Suchergebnisseite) jedoch Informationen aus der verlinkten Website so zusammengestellt, dass der Eindruck entstand, der Kläger habe eine oder mehrere Sexualstraftaten begangen.
Bei Eingabe des Namens des Klägers erschien ein Snippet mit folgendem Inhalt:

„Nicht-Therapierbarer Sextäter greift Mädchen an – Politically …
www.Q-news.net/…/nicht-therapierbarer-sextaeter-greift-maedchen-an/
30.11.2010 – Der Beschwerdeführer, H, ist deutscher Staatsbürger, 1945 geboren, und derzeit in B in Sicherungsverwahrung.“

Der Kläger war jedoch niemals wegen eines Sexualdeliktes in Erscheinung getreten. Zur Einbeziehung seiner persönlichen Daten kam es über den zufälligen Umstand, dass die verlinkte Website wiederum einen Link auf eine andere Website enthielt, auf der über ein von dem Kläger geführtes Verfahren berichtet wurde, das seine eigene Sicherungsverwahrung aus anderem Grund zum Gegenstand hatte.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der durchschnittliche Nutzer der Suchmaschine den Suchergebnissen regelmäßig vertraue und deren Inhalte bzw. daraus entstehende Eindrücke nicht auf Authentizität überprüfe. Deshalb verletze das Snippet sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.

Auf außergerichtliche Aufforderungen hatte Google nicht reagiert.

Der von ihm daraufhin klageweise geltend gemachte Unterlassungsanspruch wurde vom Landgericht Köln zunächst zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Fall nun anders beurteilt.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Köln hat Google verpflichtet, sowohl für www.google.de als auch für www.google.com sicherzustellen, dass das streitgegenständliche Snippet nicht mehr bei Eingabe des Namens des Klägers erscheint.

Die wohl wesentlichen Verteidigungslinien von Google, dass das gesamte Verfahren zur Erstellung von Sucherergebnissen vollkommen automatisiert ablaufe, die Präsentation inhaltlich neutral sei und die Nutzer des Snippets nicht mehr Erklärungsinhalt beimessen würden, als dass die eingegebenen Sucherergebnisse sich irgendwie mit den in den angegebenen Links vorhandenen Inhalten decken, folgte das Oberlandesgericht Köln nicht.

Es hat eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers bejaht.

Zwar verneint es, dass die Nutzer in den Inhalten des Snippets eine eigene Aussage des Suchmaschinenbetreibers erkennen würden, und zwar – anders als das Kammergericht Berlin, Beschluss v. 03.11.2009 – 9 W 196/09 – auch dann, wenn die Inhalte des Snippets irreführend zusammengestellt seien.

Es geht aber davon aus, dass die Zusammenstellung von Textfragmenten durch die Suchmaschine im vorliegenden Fall beim durchschnittlichen Nutzer den vom Kläger beanstandeten unabweisbaren Eindruck einer eigenen (falschen) Sachaussage erwecke. Dabei betont es jedoch ausdrücklich, dass es diese Konstellation selbst als einen Ausnahmefall betrachte, der gerade keine generelle Feststellung enthalte und enthalten solle, dass einem Snippet stets die Qualität einer eigenen Äußerung des Suchmaschinenbetreibers zukomme.

Im Ergebnis hafte die Beklagte als sogenannte unmittelbare Störerin, die selbst einen zusätzlichen Gefahrenkreis für die Schädigung anderer eröffnet habe. Die Automatisierung des Verfahrens berge das Risiko, dass vereinzelt auch zufällige Ergebnisse produziert werden könnten, die Rechte Dritter verletzten.

Da Google die Automatisierung des Suchmaschinendienstes gerade im eigenen wirtschaftlichen Interesse betreibe, sei es nicht angezeigt, ihr im Gegenzug auf Grund dieser Automatisierung zuzugestehen, sich bei „Ausreißern“ im Betrieb dieses technischen Hilfsmittels, welches zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung des Betroffenen führe, gleichsam hinter einem Computerprogramm „zu verstecken“, welches allein sie programmiert hat und auf das allein sie Einfluss nehmen kann.

Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen, da das Oberlandesgericht Köln davon ausgeht, selbst eine eigenständige Fallgruppe der unmittelbaren Störerhaftung für Suchergebnisinhalte entwickelt zu haben, die sich möglicherweise in Widerspruch zu anderen Berufungssenaten setzt.

Bewertung

Damit ordnet das Oberlandesgericht seine Rechtsprechung auch gleich in den Gesamtkontext der bisherigen Rechtsprechung zur Rechtsqualität von „Snippets“ in Suchmaschinenergebnissen ein. Es handelt sich hier schon vom Sachverhalt her um einen Sonderfall, da nicht unwahre Inhalte von Drittseiten gespiegelt werden, sondern wahre Inhalte so kombiniert, dass sie einen eigenen unwahren Tatsacheninhalt ergeben, den so – außer Google in seinem Snippet – niemand behauptet. Das Oberlandesgericht Köln hat sein Urteil mithin sehr differenziert und am Einzelfall begründet und macht auf den besonderen Charakter hinreichend deutlich aufmerksam. Deshalb ist weniger die Übertragbarkeit des Urteils auf die „Snippet“-Rechtsprechung per se der praktisch relevante Aspekt als die Frage, ob es sich wirklich nur um einen Einzelfall handelt oder solche zufälligen „Falschbehauptungen“ nicht doch viel häufiger auftreten als es das Gericht unterstellt, nur bisher nicht derart differenziert aufgegriffen wurden.