OLG Düsseldorf – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen

Das OLG Düsseldorf hat sich in einem Urteil vom 14.03.2018 (Az. I-15 U 49/16) mit der Reichweite eines Vorbenutzungsrechts (§ 12 PatG) bei mittelbaren Vorbenutzungshandlungen (§ 10 PatG) befasst.

Nach § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PatG tritt die Wirkung des Patents gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Dieser ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen. Höchstrichterlich ungeklärt ist bislang die rechtliche Reichweite des Vorbenutzungsrechts, wenn der Betroffene nur mittelbare Benutzungshandlungen nach § 10 PatG entfaltet hat.

Nach Auffassung des OLG ist im Hinblick auf den Vorrichtungsanspruch nach seinem sachlichen Umfang vom Vorbenutzungsrecht umfasst, dass der Vorbenutzer, der sämtliche Bestandteile für eine Vorrichtung geliefert hat, nunmehr dazu übergeht, die Vorrichtung selbst herzustellen, wenn das vormalige Zusammenfügen beim Abnehmer zur geschützten Gesamtvorrichtung sicher vorhersehbar und einfach zu bewerkstelligen war.

In dem entschiedenen Fall lag dementsprechend eine unmittelbare Vorbenutzungshandlung mit der Folge vor, dass es vom Vorbenutzungsrecht erfasst wird, wenn der Vorbenutzer dazu übergeht, selbst die Gesamtvorrichtung herzustellen. Der Grund hierfür ist, dass dadurch der Schutzbereichseingriff nicht vertieft wird, weil der Vorbenutzer lediglich solche Handlungen selbst vornimmt, die Dritte bislang quasi als sein „Werkzeug“ ausgeführt haben. Daher ist keine Weiterentwicklung gegeben, die über den Umfang der bisherigen Benutzung hinausgeht. Dies steht im Einklang damit, dass es vom Vorbenutzungsrecht umfasst ist, die Vertriebspartner auszutauschen, ohne deren Anzahl zu erhöhen.

Im Regelfall kann der Lieferant der Gegenstände nur mittelbarer Vorbenutzer sein und darf nicht zu einer unmittelbaren Benutzung des Vorrichtungs- und (ggf. parallelen) Verfahrensanspruchs übergehen, da dies den Eingriff in den Schutzbereich des Patents vertiefen würde. Vom Vorbenutzungsrecht abgedeckt ist jedoch, dass der Vorbenutzer, der sämtliche Bestandteile zur Ausführung eines patentgeschützten Verfahrens geliefert hat, dazu übergeht, das Verfahren selbst anzuwenden, wenn das vormals gelieferte Mittel technisch und wirtschaftlich sinnvoll überhaupt nur patentgemäß eingesetzt werden konnte.

In dieser Konstellation darf der mittelbare Vorbenutzer sowohl seinen bisherigen Abnehmern, denen kein Benutzungsrecht an der Erfindung zustand, als auch beliebigen Dritten das Mittel anbieten und sie beliefern, wobei sämtliche Abnehmer zur unmittelbaren Benutzung der Erfindung berechtigt sind.

Anderenfalls wäre das Vorbenutzungsrecht wirtschaftlich praktisch wertlos, weil jeder vernünftige Abnehmer ohne eigenes Vorbenutzungsrecht – und dies wird die Regel sein und ist bei neuen Abnehmern fast ausnahmslos der Fall – davon absehen würde, Gegenstände zu erwerben, auf die sich das Vorbenutzungsrecht bezieht, da sie für ihn und seinen Geschäftsbetrieb unverwertbar wären.

Wenn das Mittel technisch und wirtschaftlich sinnvoll nur patentgemäß einsetzbar ist, besteht überdies kein Anlass, die Abnehmer eines mittelbaren Vorbenutzers schlechter zu stellen als im Bereich der unmittelbaren Vorbenutzung. Dort ist anerkannt, dass ein Vorbenutzungsrecht, das einem Hersteller oder Lieferanten zusteht, den nachfolgenden Handelsstufen – als abgeleitetes Recht – zugutekommt, indem die Erzeugnisse frei gewerblich weiter angeboten, vertrieben und gebraucht werden dürfen (unter Verweis auf BGH, GRUR 2012, 895 – Desmopressin; OLG Düsseldorf, InstGE 11, 193).

In dem entschiedenen Fall bejahte das OLG die Voraussetzungen eines Vorbenutzungsrechts innerhalb der oben beschriebenen Grenzen. Nach dem Ergebnis einer erneuten Beweisaufnahme vor dem OLG stand für das OLG fest, dass ein Zusammenfügen der von der Beklagten gelieferten Bauteile samt zugehörigen, passend zugeschnittenen Gewebestreifen zu einer patentgemäßen Schutzverkleidung sicher vorhersehbar und einfach zu bewerkstelligen war.

Aufgrund der Ausführlichkeit des Urteils gibt die Entscheidung einen guten Überblick über die bisherige Praxis zum Vorbenutzungsrecht.

Die Entscheidung überzeugt auch im Ergebnis, vor allem, soweit sie auf die Praktikabilität der entwickelten Ergebnisse und die Vermeidung von Wertungswidersprüchen bedacht ist.