OLG München – Vereinbarkeit einer Rechteverzichts- und Erfindervergütungsregelung mit dem AGB-Recht

Das OLG München hat sich in einem Urteil vom 26.10.2017 (Az. 6 U 2465/13) u. a. mit der Frage der Vereinbarkeit einer erfinderrechtlichen Abkaufregelung mit dem AGB-Recht befasst.

Häufig werden in Unternehmen sog. Rechteverzichts-und Vergütungsregelungen mit den Erfindern getroffen, die der Anerkennung der erbrachten Erfindungsleistung und als Anreiz zur Entwicklung weiterer schöpferischer Leistung dienen, indem Erfindungen mittels Prämien- und Pauschalzahlungen honoriert werden. Zur Reduzierung des mit dem ArbEG verbundenen Verwaltungsaufwandes wird dieses Angebot nicht selten mit dem Abkauf gesetzlicher (Formal-)Pflichten des Arbeitgebers nach §§ 13 ff. ArbEG verknüpft. Ungeklärt ist bisher, in welchem Umfang die Schranken des AGB-Kontrollrechts (§§ 305 ff. BGB) bei der Ausgestaltung standardisierter Rechteverzichts- und Vergütungsregelungen zu berücksichtigen sind (vgl. Bartenbach/ Volz, KommArbEG 6. Aufl., § 22 ArbEG, Rn. 41 ff.).

In dem entschiedenen Fall musste u. a. die Frage geklärt werden, ob die Rechte an einer nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 ArbEG a. F. freigewordenen Erfindung durch eine Abtretungsklausel in einem Erfindervergütungsvertrag nachträglich auf die Arbeitgeberin übergeleitet worden sind. In diesem Vertrag war unter der Überschrift „Gegenstand der Vereinbarung“ folgende vorsorgliche Abtretungsklausel enthalten:

„Die Rechte an der Erfindung wurden durch unbeschränkte Inanspruchnahme/Übertragungserklärung, wonach sich der Erfinder in gegenseitigem Einvernehmen rechtlich entsprechend unbeschränkter Inanspruchnahme stellt, auf die AG (Arbeitgeberin) übergeleitet. Vorsorglich werden hiermit alle vermögenswerten Rechte an der Erfindung mit Wirkung für Vergangenheit und Zukunft an AG abgetreten; die AG nimmt die Abtretung hiermit an.“

Das OLG München kommt zu dem Ergebnis, dass eine solche vom Erfinder vorsorglich erklärte und von der Arbeitgeberin angenommene Abtretung aller vermögenswerten Rechte an einer Erfindung unbedenklich ist. Denn über eine mangels Inanspruchnahme freigewordene Erfindung könne der Arbeitnehmer gemäß § 8 Abs. 2 ArbEG ohne Einschränkungen verfügen.

Der Einwand des Erfinders, eine solche Klausel wäre als eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB mit der Folge anzusehen, dass sie nicht Vertragsbestandteil geworden wäre, greift nach Auffassung des Senats nicht durch. Zwar stellt der Senat klar, dass die Abtretungsklausel ungeachtet ihrer Zuordnung zu den Bereichsausnahmen des § 310 Abs. 4 BGB an den Vorgaben des § 305c BGB zu überprüfen sei. Allerdings greife § 305c Abs. 1 BGB nur dann ein, wenn die Klausel einerseits nach den Gesamtumständen objektiv ungewöhnlich und (kumulativ) andererseits subjektiv überraschend in dem Sinne gewesen wäre, dass der Erfinder redlicherweise nicht damit zu rechnen brauchte. Diese beiden Voraussetzungen vermochte der Senat im vorliegenden Fall nicht zu konstatieren: Es sei weder ungewöhnlich noch könne es als überraschend beurteilt werden, dass im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung über die Höhe einer Arbeitnehmererfindervergütung auch der Schuldgrund sichergestellt wird. Dies kann dergestalt erfolgen, dass die Parteien vorsorglich für den Fall, dass eine erfolgte, übereinstimmend als wirksam erachtete unbeschränkte Inanspruchnahme der Erfindung in Wahrheit nicht vorliegt, durch Rechtsgeschäft (Abtretung der Rechte an der Erfindung und Annahme der Abtretung) die causa schaffen, ohne welche die Gegenleistung – dem gesetzlichen Leitbild entsprechend – schon dem Grunde nach nicht geschuldet wird. Denn der Erfinder könnte schlechterdings nicht damit rechnen, von der Arbeitgeberin eine Vergütung für seine Erfindung zu erhalten, ohne dass ihr die Rechte an dieser Erfindung eingeräumt worden wären.

Allerdings ergab sich nach Ansicht des Senats eine erhebliche Unbilligkeit des gesamten Vertrages durch einen Verstoß einer anderen Klausel gegen das Angemessenheitsgebot des § 23 Abs. 1 Satz 1 ArbEG, welcher nach Maßgabe des § 310 Abs. 4 BGB gegenüber einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB vorrangig sei. In dieser Klausel war eine pauschale anteilige Erfindervergütung in Höhe von 300,00 €, welche erfindungsgemäße Gesamtumsätze bis zu 1,5 Mio. € abdecken sollte, vereinbart; bei höheren Gesamtumsätzen erhielt der Erfinder einen Anspruch auf eine weitere Erfindervergütung auf Basis des ArbEG und der Amtlichen Vergütungsrichtlinien. Nach der (unseres Erachtens nicht angemessenen) Kontrollrechnung der geschuldeten Erfindervergütung kam der Senat zu dem Ergebnis, dass dieser Betrag von 300,00 € deutlich hinter der Unbilligkeitsgrenze, die der BGH bei 50 % des nach dem ArbEG und den entsprechenden Vergütungsrichtlinien Geschuldeten ansetzt, zurückbleibt. Der Umstand, dass die Pauschale auch im Fall der Schutzunfähigkeit der Erfindung bzw. bei Erreichen lediglich marginaler erfindungsgemäßer Umsatz gefällig würde, erlaubt nach Ansicht des Senats keine abweichende Beurteilung. Denn eine Kompensation der „Schlechterstellung“ des Erfinders – etwa durch überobligationsmäßige Vergütungen für den Fall, dass die Umsatzgrenze von 1,5 Mio. Euro überschritten wird – sehe die Vereinbarung gerade nicht vor.

Einen weiteren Gesichtspunkt, der die Unbilligkeit der gesamten Vereinbarung zusätzlich untermauere, sah der Senat in dem Umstand, dass dem Erfinder für die Abgeltung seines Verzichts auf seine Rechte nach §§ 13 ff. ArbEG, insbesondere auf seine Rechte nach § 14 ArbEG und § 16 ArbEG, lediglich eine Pauschale von 150,00 € gezahlt würde.

Letztlich beschäftigt sich der Senat noch mit der in diesem Vertrag befindlichen salvatorischen Klausel. Hierzu stellt er fest, dass sich die salvatorische Klausel in einer solchen Konstellation, in welcher zwar die Vergütungsvereinbarung unwirksam, die Rechtsübertragung hingegen wirksam wäre, als überraschend im Sinne des § 305c BGB darstellt. Denn – spiegelbildlich zu den zuvor dargestellten Ausführungen, wonach der Erfinder nicht damit rechnen konnte, eine Vergütung ggf. auch ohne Rechtseinräumung zu erhalten – müsse der Erfinder redlicherweise auch nicht damit rechnen, durch den Vertrag ggf. Rechten an seiner Erfindung verlustig zu gehen, ohne gleichzeitig eine verbindliche Vereinbarung über die geschuldete Gegenleistung getroffen zu haben.

Insoweit kam der Senat zu dem Ergebnis, dass der Vertrag – und damit auch die darin befindliche Abtretungsklausel – insgesamt unwirksam seien. Dies hat zur Folge, dass die Erfindungsrechte nicht nachträglich der Arbeitgeberin zugeordnet wurden.

Zurzeit beschäftigt sich der BGH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit dieser Streitsache, so dass abzuwarten bleibt, inwieweit sich der BGH mit den Fragen der Vereinbarkeit einer solchen Rechteverzichts- und Erfindervergütungsregelung mit dem AGB-Recht auseinandersetzt.

Quelle: OLG München vom 26.10.2017, Az. 6 U 2465/13