Unterlassungsschuldner muss auch Drittverstöße recherchieren, um Strafe zu vermeiden

Unterlassungspflichten ergeben sich entweder aus gerichtlichen Entscheidungen oder aus vertraglichen Vereinbarungen, sog. Unterlassungsverträgen. In beiden Fällen können Verstöße gegen die Unterlassungspflicht dazu führen, dass der Gläubiger Maßnahmen einleitet, um den Schuldner zu zwingen, die Unterlassungspflicht auch tatsächlich umzusetzen.

Verstöße gegen gerichtliche Unterlassungstitel werden auf Antrag des im Titel genannten Gläubigers mit den Zwangsmitteln des Ordnungsgeldes zu Gunsten der Staatskasse oder der Ordnungshaft geahndet (§ 890 ZPO). Verstöße gegen vertragliche Unterlassungspflichten führen zur Verwirkung einer Vertragsstrafe zu Gunsten des Schuldners, deren Höhe sich ebenfalls auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen bestimmt.

Jedenfalls umfasst die Unterlassungspflicht auch die Verpflichtung zur Beseitigung bei Vertragsschluss bereits bestehender Verletzungszustände, wenn die Vereinbarung nichts anderes ergibt (BGH, Beschl. v. 29.09.2016, I ZB 34/15).

Die Ahndung eines Verstoßes – durch Vertragsstrafe oder Ordnungsmittel – kommt jedoch nur in Betracht, wenn er schuldhaft begangen wird. Im Fall der Verletzung einer vertraglichen Unterlassungspflicht trifft den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er nicht schuldhaft handelte (BGH, Urt. v. 13.5.1982, I ZR 205/80).

Die Anforderungen an den Ausschluss eines (Organisations-)Verschuldens sind hoch und auf Grund der nahezu unerschöpflichen Sachverhaltsvielfalt mit immer neuen individuellen Konstellationen regelmäßig Gegenstand der Rechtsprechung.

Aktuelle Entscheidung des OLG Dresden

So hatte das OLG Dresden kürzlich folgende Frage zu beantworten: Gehört es zu den möglichen und zumutbaren Maßnahmen, die ein Unterlassungsschuldner zur Einhaltung seiner Unterlassungspflicht zu ergreifen hat, auch Dritte, die den wettbewerbswidrigen Inhalt ohne sein Zutun (weiter-)verbreiten, zu kontaktieren und zur Einhaltung der Unterlassungspflicht anzuhalten?

Hintergrund

Hintergrund war die Forderung einer Vertragsstrafe, weil ein Unterlassungsschuldner, der sein Hotel wettbewerbswidrig als „4-Sterne-Hotel“ beworben hatte, nur insoweit Maßnahmen zur Einhaltung der Unterlassungspflicht ergriffen hatte, als er sie direkt selbst beeinflussen konnte oder seine direkten Vertragspartner betroffen waren.

Er hatte hingegen keinerlei Recherchen durchgeführt, wo bzw. über wen die untersagte Verwendung der 4-Sterne-Kennzeichnung sonst noch verbreitet wurde.

Die Vertragsstrafe wurde dann wegen einer „Google My Business Anzeige“ gefordert, die über die Suchmaschine Google auch nach Eintritt der Unterlassungsverpflichtung abrufbar blieb.

Begründung

Das OLG Dresden hat ein Organisationsverschulden der Beklagten bejaht. Dieses läge vor, wenn nicht alles Mögliche und Zumutbare zur Unterbindung von Verstößen gegen das Unterlassungsgebot unternommen werde. Die Sorgfaltsanforderungen hierbei seien äußerst streng.

Zwar habe ein Unterlassungsschuldner für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er sei jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Die Beklagte hätte deshalb sicherstellen müssen, dass der Hinweis auf die 4-Sterne-Klassifizierung nach Maßgabe der Deutschen Hotelklassifizierung nicht mehr im Internet aufgerufen werden konnte – jedenfalls auch nicht über die Trefferliste Google als einer der gängigsten Internetsuchmaschinen. In diesem Fall muss der Schuldner gegenüber Google den Antrag auf Löschung im Google-Cache (z.B. über das Webmaster-Tool) bzw. auf Entfernung der von der Webseite bereits gelöschten Inhalte stellen.

Ihre Unterlassungspflicht hätte dabei auch eigene Recherchen in den gängigen Suchmaschinen umfasst, um etwaige Drittveröffentlichungen zu ermitteln.

Solchen Dritten gegenüber genüge es dann auch nicht, dort anzurufen oder eine E-Mail zu schreiben. Im Zweifel müsse mit dem erforderlichen Nachdruck nachgefasst werden und es seien rechtliche Schritte anzudrohen (und wohl auch umzusetzen).

Es sei der Beklagten deshalb nicht gelungen, sich von dem durch die Verletzungshandlung an sich vermuteten Verschuldensvorwurf zu entlasten.

Welche Maßnahmen ergreifen?

Unabhängig vom Einzelfall empfiehlt es sich, jedenfalls folgende Maßnahmen zu ergreifen und zu dokumentieren, um ein Organisationsverschulden möglichst zu vermeiden:

  • nicht nur Verknüpfungen entfernen, sondern rechtsverletzende Inhalte vorsorglich auch vom Server löschen;
    Google-Cache löschen;
  • Mitarbeiter, aber auch Drittanbieter unter Androhung von Folgemaßnahmen auf Mitwirkung bei der Einhaltung der Unterlassungspflicht in Anspruch nehmen;
  • eigene Recherchen durchführen und die Einhaltung/Mitwirkung durch Mitarbeiter und Dritte aktiv zu kontrollieren sowie im Zweifel Zwang ausüben.