Zum Zu-Eigen-Machen von Bewertungen durch Portalbetreiber bei Eingriffen in Beitragsinhalte

Das OLG Dresden hat mit Urteil v. 06.03.2018 – Az.: 4 U 1403/07entschieden, dass es für ein Zu-Eigen-Machen von auf einem Portal veröffentlichten Bewertungen durch den Portalbetreiber sprechen kann, wenn dieser eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung der auf seinem Portal eingestellten Nutzerbewertungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit vornimmt.

Sachverhalt

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Löschung eines auf dem Bewertungsportal jameda eingestellten Beitrags in Anspruch. Bezüglich dieser Bewertung hatte das Landgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der meint, das Landgericht habe die Maßstäbe für Betreiber eines Bewertungsportals verkannt und auf eine präventive Verifizierung zur Vermeidung von Fake-Bewertungen beschränkt. Eine einzelfallbezogene Prüfung, die den Maßstäben der BGH-Rechtsprechung genüge, habe die Beklagte nicht vorgenommen. Die erfolgte Stellungnahme des Nutzers sei äußerst pauschal geblieben, Behandlungsunterlagen habe dieser nicht beigefügt. Ein tatsächlicher Behandlungskontakt sei damit nicht nachgewiesen. Der Kläger beantragte, unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Beklagten zu untersagen, die streitgegenständliche Bewertung inklusive Benotung zu veröffentlichen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt die Auffassung, schon eine Verletzung von Prüfpflichten könne ihr nicht vorgeworfen werden, nachdem sie im Anschluss an die Problemmeldung mit dem Bewertenden Kontakt aufgenommen und ihn zugleich um Zusendung von Belegen gebeten habe. Die Beschreibung des Behandlungsverlaufs durch den Patienten habe sie dem Kläger zugänglich gemacht, der hierzu jedoch nicht Stellung genommen habe. Eine Verletzung von Prüfpflichten könne aber nicht schon dann angenommen werden, wenn das Prüfverfahren den Sachverhalt nicht eindeutig geklärt habe.

Entscheidung

Das OLG hat dem Kläger im Hinblick auf einen Teil der angegriffenen Äußerung Recht gegeben. Diese Äußerungen sah der Senat unter Abwägung der betroffenen Interessen als rechtswidrig an.

Anders als das Landgericht angenommen hat, komme es nicht darauf an, ob der Beklagten eine Verletzung von Prüfpflichten vorgeworfen werden könne. Die angegriffenen Äußerungen habe sich die Beklagte nämlich zu eigen gemacht, so dass sie als unmittelbarer Störer anzusehen ist.

Unmittelbarer Störer sei ein Portalbetreiber nur dann, wenn es sich bei der angegriffenen Bewertung um eigene Informationen handelt (§ 7 Abs. 1 TMG), wobei zu den eigenen Informationen eines Portalbetreibers auch solche gehörten, die zwar von einem Dritten eingestellt wurden, die sich der Portalbetreiber aber zu eigen gemacht habe. Von einem Zu-Eigen-Machen sei dabei dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen habe, was aus objektiver Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen sei. Dabei sei bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Für ein Zu-Eigen-Machen spreche es aber, wenn der Portalbetreiber eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung der auf seinem Portal eingestellten Nutzerbewertungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit vornehme.

Nach diesen Maßstäben habe sich die Beklagte die von der Klägerin beanstandeten Äußerungen zu eigen gemacht. Dies folge zwar noch nicht allein daraus, dass die Beklagte sich nicht etwa durch einen Disclaimer von den Inhalten der eingestellten Bewertungen distanziert habe. Auch der Umstand, dass die Beklagte in ihren Nutzungsrichtlinien sich die Möglichkeit einer inhaltlichen Einflussnahme durch „kürzen, löschen und anpassen“ vorbehalte, reiche hierfür nicht aus. Allerdings habe sich die Beklagte die angegriffenen Aussagen des Patienten dadurch zu eigen gemacht, dass sie diese auf die Rüge des Klägers hin inhaltlich überprüft und auf sie Einfluss genommen habe, indem sie selbständig – insbesondere ohne Rücksprache mit dem Patienten – entschieden habe, einen ursprünglich enthaltenen Hinweis auf Kosten von 105,- € für die Behandlung zu streichen. Sie habe damit die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive Rolle übernommen. Dies habe sie dem Kläger als dem von der Kritik Betroffenen kundgetan, indem sie mitgeteilt habe, die vom Kläger beanstandete Bewertung „bereits geprüft“ und „strittige Tatsachenbehauptungen hierbei entfernt“ zu haben, so dass die Bewertung den „Nutzungsrichtlinien und rechtlichen Vorgaben“ entspreche. Damit habe die Beklagte nicht nur die Aussage zu dem Behandlungspreis zum Anlass genommen, einen tatsächlichen Behandlungskontakt überhaupt in Zweifel zu ziehen, sondern darüber hinaus eine selbständige Einschätzung zu der Gesamtbewertung im Übrigen vorgenommen und sich – trotz der Einwände des Klägers und ohne Rücksprache mit dem Patienten – für die Beibehaltung der Äußerung entschieden. Damit müsse sie sich die gesamte Aussage zurechnen lassen.

Vorliegend führe die anzustellende Interessenabwägung dazu, dass die Äußerungen rechtswidrig seien, weil es sich hierbei um unwahre Tatsachenbehauptungen, zumindest aber um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern handele. Dass dieser Tatsachenkern wahr sei, habe die Beklagte, die hierfür die Beweislast trage, nicht bewiesen.

Anmerkung

Die Entscheidung des OLG Dresden zeigt einmal mehr, dass der Betrieb von Meinungsportalen seine Tücken hat. Insbesondere die schwierige Aufgabe als „Prüfinstanz“ wird im Rahmen der Entscheidung besonders deutlich. Nimmt ein Portalbetreiber seine Prüfpflichten ernst und greift aktiv in einen Beitrag ein, soll sich der Portalbetreiber die verbleibenden Inhalte faktisch zu eigen machen. Ob man die Wertungen des OLG Dresden als allgemeine Grundsätze verstehen darf, erscheint allerdings fraglich, da das Gericht durchaus wesentliche Sonderumstände des Falls – insbesondere die offenbar nicht mehr erfolgte Einholung einer Stellungnahme des Autors vor Änderung des Beitrages und Verweise auf eine erfolgte Prüfung – in die Berücksichtigung hat einfließen lassen.

Jedenfalls lehrt die Entscheidung, dass Portalbetreiber gut daran tun, eine möglichst neutrale Position einzunehmen und von „im Alleingang“ erfolgenden inhaltlichen Anpassungen von Beiträgen besser die Finger lassen.