Landgericht München I – Kommunikationskanalauswahl

Das Landgericht München I hat sich in einem Urteil vom 31.01.2019 (Az: 7 O 14456/17) zur Standardrelevanz von Patenten und dem Kartellrechtseinwand geäußert.

Das Landgericht München I hat sich in einem Urteil vom 31.01.2019 (Az: 7 O 14456/17) zur Standardrelevanz von Patenten und dem Kartellrechtseinwand geäußert.

Das Gericht hatte über eine Patentverletzungsklage aus dem deutschen Teil eines Europäischen Patents betreffend ein Verfahren und eine Vorrichtung betreffend eine Kommunikationskanalauswahl zu entscheiden. Angegriffen waren Mobiltelefone. Die Parteien stritten unter anderem über die Verwirklichung eines Patentanspruchsmerkmals, nach dem in einer „Standby Anzeige“ durch die Eingabe von Buchstaben ein Kontakt aufgezeigt wird, für den dann auswählbare Kommunikationskanäle (wie bspw. ein Anruf oder eine Kurznachricht) angezeigt werden. Außerdem war zwischen den Parteien streitig, ob die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung kartellrechtswidrig war.

Dies könne nach dem Landgericht nur angenommen werden, wenn das fragliche Patent standardessenziell ist und dem Patentinhaber hierdurch eine marktbeherrschende Stellung vermittelt, oder wenn sich aus den Modalitäten der Ausübung der Rechte aus dem (nicht standardessentiellen aber nicht umgehbaren) Patent ergibt, dass ein kartellrechtlich relevantes Ziel verfolgt wird (und die Ausübung des Rechts mithin nicht mehr seinem „spezifischen Gegenstand“ entspricht, siehe Calliess/Ruffert-Weiß, EUV/AEUV, 5. Auflage, Art. 102 AEUV Rn. 39 mwN; grundlegend EuGH verb. Rs. C-241/91 P und 242/91 P GRUR-Int 1995, 490, 493, Rn. 50 ff. – Magill; EuGH 238/87 GRUR-Int 1990, 141, Rn. 9 – Volvo/Veng). An die Annahme einer solchen Ausnahmesituation sind strenge Anforderungen zu stellen (zB EuGH Rs. C-418/01 – IMS Health MMR 2004, 456, Rn. 34, 35 mwN). Eine Lizenz soll dann erteilt werden müssen, wenn ihre Verweigerung das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindert, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht, die Verweigerung darf nicht gerechtfertigt sein, und sie muss geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt auszuschließen (EuGH Rs. C-418/01 – IMS Health MMR 2004, 456, Rn. 38 mwN).

Im entschiedenen Fall verneinte das Landgericht die Voraussetzungen für ein Durchgreifen des Kartellrechtseinwands. Entgegen den oben dargestellten Grundsätzen habe die Beklagtenseite schon nicht belegt, dass durch die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindert wurde. Vielmehr behauptete die Beklagtenseite, dass die patentgemäße Erfindung nicht benutzt werde (was auch das Landgericht letztlich annahm). Die engen Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des EuGH die Geltendmachung eines Immaterialgüterrechts ausgeschlossen sein soll, seien mithin nicht erfüllt. Das Gericht hielt auch den Einwand der Beklagten für irrelevant, dass die Klägerin mit der Durchsetzung des Patents Einfluss auf den Wettbewerb zwischen den Parteien nehmen wollte. Ein Anspruch auf Lizenzerteilung komme nur unter engen Voraussetzungen bei standardessentiellen Patenten in Betracht, ein solches lag aber unstreitig nicht vor. Eine Ausweitung auf nicht standardessentielle Patente komme nach der Rechtsprechung des EuGH allenfalls dann in Betracht, wenn deren Benutzung unabdingbar ist. Die Beklagtenseite habe insoweit aber gerade vorgetragen, das Klagepatent nicht zu nutzen.

Der vom Landgericht München I entschiedene Fall offenbart ein gewisses Dilemma, wenn sich der Patentinhaber auf einen kartellrechtlichen Anspruch auf Einräumung einer Lizenz beruft, während es sich gleichzeitig die mangelnde Verletzung des Klagepatents einwenden bzw. den Einwand der fehlenden Verletzung vorbehalten wird. Denn in dem Fall bringt er mittelbar zum Ausdruck, dass er das Patent schon nicht braucht.

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Dr. Martin Quodbach, LL.M.

Dr. Martin Quodbach, LL.M.

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