Gerichtliche Überprüfung der Bonushöhe

Sieht der Arbeitsvertrag vor, dass der Arbeitgeber die Höhe des dem Arbeitnehmer zustehenden Bonus nach „billigem Ermessen“ festsetzen kann, kann das Gericht diese Entscheidung voll überprüfen und den Bonus anhand der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen schätzen (BAG, Urteil vom 03.08.2016 – 10 AZR 710/14).

Der Fall

Die Parteien hatten in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart, dass der jährliche Bonus nach Ermessen des Arbeitgebers festgesetzt wird. Nachdem der Kläger in seinem ersten Jahr 200.000,- €, im nächsten Jahr 209.920,- (so die Feststellung des Arbeitsgerichts) oder 9.920,- € (so später das Bundesarbeitsgericht) und im darauf folgenden Jahr gar keinen Bonus erhalten hatte, klagte er vor dem Arbeitsgericht und beantragte, den Bonus nach dem Ermessen des Gerichts, mindestens aber auf 52.480,- €, festzusetzen.

In der ersten Instanz sprach ihm das Arbeitsgericht Frankfurt 78.720,- € zu und orientierte sich hierbei am Vortrag des Klägers, der angab, seine Kollegen hätten zwischen 25% und 50% ihres Vorjahresbonus erhalten. Folglich wurden ihm 37,5 % des von ihm behaupteten Vorjahresbonus von 209.920,- € zugesprochen.

Das Landesarbeitsgericht revidierte die Entscheidung und wies die Klage in voller Höhe ab: Der Kläger habe keine ausreichende Tatsachengrundlage für eine Schätzung der Bonushöhe beigebracht. Dem Gericht fehlten Informationen über die maßgeblichen Bonuskriterien und deren Gewichtung zueinander, Angaben zu den heranzuziehenden Geschäftsdaten, zu dem für den Kläger bzw. seine Abteilung zur Verfügung gestellten Bonusrahmen und zur Höhe des Bonuspools, der zur Ausschüttung gelangen konnte. Die Taktik des beklagten Arbeitgebers, möglichst wenig zum Sachverhalt vorzutragen, war in der zweiten Instanz also aufgegangen.

Die Entscheidung

Mit seiner Revision hatte der Kläger beim Bundesarbeitsgericht Erfolg. Nicht er hätte die vom Landesarbeitsgericht beanstandeten Informationen beibringen müssen, sondern der Arbeitgeber. Dieser hatte den Bonus nach billigem Ermessen festgesetzt und müsse sich somit im Prozess auch dazu äußern, welche Faktoren seine Entscheidung bestimmt hatten. Der Arbeitnehmer hätte zu diesen Faktoren, die außerhalb seines Kenntnisbereichs liegen, gar nicht vortragen können.

Da der Arbeitgeber seine Entscheidung, den Bonus auf „Null“ festzusetzen, im Prozess nicht begründet hatte, war seine Festsetzung als unverbindlich zu betrachten und der Weg für eine Festsetzung durch das Gericht gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB eröffnet. Für diese Schätzung standen dem Landesarbeitsgericht die aktenkundigen Angaben des Arbeitnehmers zur Verfügung. Die Begründung der Klageabweisung hielt deshalb der Überprüfung in der Revisionsinstanz nicht stand.

Das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen. Der Rechtsstreit wurde an das Landesarbeitsgericht Hessen zurück verwiesen, das nun unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erneut über die Bonushöhe wird entscheiden müssen.

Fazit

Es sollte bereits wohlüberlegt sein, ob die Zusage eines Bonus, dessen Höhe „in das Ermessen des Arbeitgebers“ gestellt wird, im Arbeitsvertrag ratsam ist. Der Fall zeigt, dass die mit einer solchen Klausel erhoffte Flexibilität ein Trugschluss sein kann – dann nämlich, wenn nur einzelne Arbeitnehmer keinen oder einen geringeren Bonus erhalten sollen und sich der Eindruck aufdrängt, dass bei der Ausübung des Ermessens nicht alle – beiderseitigen – Belange einbezogen wurden. Gleichzeitig ist der Entscheidung nicht zu entnehmen, dass die Festsetzung eines Bonus mit „Null“ schlechthin ermessensfehlerhaft sei. Hat der Arbeitgeber hierfür gute, nachvollziehbare Gründe – z.B. einen schlechten Jahresabschluss oder eine nachweislich unterdurchschnittliche Leistung des Arbeitnehmers – ist es durchaus vorstellbar, dass die Festsetzung „keines“ Bonus einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

Es ist deshalb aus Arbeitgebersicht ratsam, die Ausübung des Ermessens bei der Verwendung solcher Bonusklauseln sorgfältig zu dokumentieren, um für eine mögliche gerichtliche Überprüfung gewappnet zu sein. Darauf zu setzen, dass es dem Arbeitnehmer nicht gelingen wird, genügend Anhaltspunkte für eine richterliche Schätzung beizubringen, dürfte nicht (länger) ratsam sein.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.08.2016 – 10 AZR 710/14 – Pressemitteilung
Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 10.04.2014 – 19 Sa 1266/13 – Entscheidungsgründe