Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen – ein Zwischenstand

Der Gesetzgeber konfrontierte Arbeitgeber zu Jahresbeginn mit der Nichtigkeitsfolge des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX. Gleichzeitig entstanden auf Grund der Regelungen erhebliche Unsicherheiten für die Praxis. Ein Zwischenstand und unsere Empfehlungen für die Praxis:

Die Ausgangssituation

Nach der früheren Rechtsprechung des BAG war eine fehlende vorhergehende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch einer Kündigung für die Wirksamkeit der Kündigung irrelevant. Dies änderte sich ab Beginn des Jahres 2017 mit der Nichtigkeitsfolge des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX bei unterbliebener „Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX“. (Leider) weist die Regelung keinerlei Verfahrensvorschriften (z. B. ähnlich § 102 BetrVG) und auch weitere Lücken auf, so dass erhebliche Unsicherheiten für die Praxis bestehen. Diese Unsicherheiten konnten auch bislang nicht durch gerichtliche Entscheidungen beseitigt werden.

To-Do-Liste für Arbeitgeber

Unabhängig von den vorgenannten Unsicherheiten muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung gegenüber schwerbehinderten Mitarbeitern Folgendes beachten:

  • Ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung;
  • ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats;
  • Antrag an das Integrationsamt auf Zustimmung zur Kündigung und entsprechende Zustimmung des Integrationsamtes;
  • insbesondere bei außerordentlichen Kündigungen: Beachtung der Fristen für Eingang des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt (§ 91 Abs. 2 SGB IX, 2 Wochen), Stellungnahmefrist des Integrationsamts (§ 91 Abs. 3 SGB IX, 2 Wochen) und anschließender Zugang der Kündigung (unverzüglich nach Stellungnahme des Integrationsamts bzw. Fristablauf nach § 91 Abs. 3 SGB IX, § 91 Abs. 5 SGB IX).

Empfehlungen für die Praxis

Bezüglich der o. g. Punkte empfehlen wir – auf Grund der lückenhaften Regelung und weiterhin fehlender gerichtlicher Entscheidungen -, dass die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat zeitgleich angehört werden; in der Regel können Sie in der Sache einen Text in beiden Anhörungen verwenden – mit leichten sprachlichen Anpassungen, je nach Adressat. Da aktuell teils vertreten wird, dass zumindest die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor dem Antrag eines Integrationsamtes abgeschlossen sein muss, sollten bei einer außerordentlichen Kündigung beide vorgenannten Anhörungen schnellstmöglich nach Kenntnis der klagebegründenden Umstände erfolgen, spätestens am 10. Tag nach Kenntnis dieser (Argument: Zustimmungsfiktion des § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nach Ablauf des dritten Tages gilt analog für die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung). Darüber hinaus empfehlen wir, da auch dies teils vertreten wird, sich vor dem Ausspruch der Kündigung die Schwerbehindertenvertretung nochmals darüber zu informieren, dass man die Kündigungsabsicht nun auch umsetzt (vgl. Wortlaut § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX), auch wenn dies m. E. nicht mit „Beteiligung“ im Sinne von § 95 Abs.2 S.3 SGB IX gemeint sein kann.

Zu den wichtigsten Änderungen im Recht der Schwerbehindertenvertretung berichteten wir bereits: CBH News 27.12.2016