Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto als Kündigungsgrund

Das beharrliche Überschreiten der zulässigen Zahl von Minusstunden kann ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sein (LAG Hamburg, Urteil vom 02.11.2016 – 5 Sa 19/16).

Der Fall

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, die der Arbeitgeber wegen der wiederholten Verstöße des – tariflich ordentlich unkündbaren – Klägers gegen die arbeitsvertragliche Pflicht zur Einhaltung der Arbeitszeit ausgesprochen hatte.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand eine Dienstvereinbarung zur Arbeitszeit und Dienstzeit Anwendung, die die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos sowie – soweit hier relevant – die Vorgabe enthielt, dass im Falle eines Zeitsaldos von mehr als 20 Minusstunden („Rotphase“) der Vorgesetzte und der Beschäftigte gemeinsam dafür Sorge tragen, dass das Zeitkonto innerhalb eines Monats wieder in die Grünphase zurückgeführt werde.

Am 22.10.2014 wies das Arbeitszeitkonto des Klägers 22,9 Minusstunden aus. Hierüber gab es ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten, dem der Kläger zusagte, die Minusstunden durch die tägliche Leistung einer Mehrarbeitsstunde kontinuierlich abzubauen.

Nachdem die Minusstunden bis zum 30.04.2015 auf 45 Stunden weiter angewachsen waren, wurde der Kläger ermahnt, die Minusstunden abzubauen.

Nach einer erneuten Ermahnung am 12.05.2015 wies das Arbeitszeitkonto am 30.05.2015 55,9 Minusstunden aus. Hierauf sprach die Beklagte – nach Zustimmung des Personalrats zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung – die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Die Entscheidung

Die erste Instanz, das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 20.01.2016 – 16 Ca 307/15) hatte die Kündigung für unwirksam erklärt. Es sei, so das Arbeitsgericht, bereits zweifelhaft, ob im Aufbau der Minusstunden ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß zu sehen sei. Die Dienstvereinbarung sehe vor, dass bei einem Zeitsaldo von mehr als 20 Minusstunden Vorgesetzter und Mitarbeiter gemeinsam dafür Sorge trügen, das Zeitkonto wieder in die Grünphase zurückzuführen. Der Kläger sei also nicht allein für den Abbau des Minussaldos verantwortlich. Letztendlich ließ das Arbeitsgericht die Kündigung jedoch an der Interessenabwägung und der fehlenden Abmahnung – konkret für den Pflichtenverstoß „Aufbau Minussaldo“ – scheitern.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg hob dieses Urteil – richtigerweise – auf und wies die Kündigungsschutzklage des Klägers ab. Das Gericht sah in dem beharrlichen Überschreiten des durch die Dienstvereinbarung gestatteten Minussaldos einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten und damit einen wichtigen Grund, der den Arbeitgeber gem. § 626 BGB zur fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigte. Anders als das Arbeitsgericht kam das Landesarbeitsgericht bei der anschließenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitgeber ein weiteres Festhalten an dem Arbeitsverhältnis nicht einmal bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist zuzumuten sei. Zwar sei der Kläger nicht wegen dem weiteren Aufbau/nicht erfolgten Abbau des Minussaldos abgemahnt worden; das Landesarbeitsgericht sah jedoch die ausgesprochenen Abmahnungen, die ebenfalls den Themenkreis „Arbeitszeit“ betrafen (zu spät kommen, früher gehen) als einschlägig an. Gemeinsam mit den weiteren Störungen im Arbeitsverhältnis, die hier im Einzelnen nicht aufgeführt werden können, half dem Kläger weder der Status der ordentlichen Unkündbarkeit noch die mehr als 20jährige Betriebszugehörigkeit: Das Landesarbeitsgericht Hamburg erklärte die Kündigung für wirksam, ohne die Revision zuzulassen. Hiergegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt.

Fazit

Der entschiedene Fall ist sicherlich angesichts der Beharrlichkeit des Klägers und der Vielzahl an arbeitszeitbezogenen Pflichtverstößen nicht alltäglich. Er zeigt jedoch auch, dass ein allzu leichtfertiger Umgang mit der durch ein Arbeitszeitkonto eingeräumten Zeitsouveränität auch für einen ordentlich unkündbaren Mitarbeiter zur fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann.

Quelle: Entscheidungsgründe des Landesarbeitsgerichts Hamburg, Urteil vom 02.11.2016 – 5 Sa 19/16