BGH: Haftung für Abfindungsansprüche bei treuwidriger Fortsetzung der Gesellschaft

Mit Urteil von 10. Mai 2016 hat der BGH erstmals ausdrücklich klargestellt, dass GmbH-Gesellschafter bzgl. des Ausgleichanspruches eines Altgesellschafters, dessen Anteile eingezogen wurden, im Falle einer freiwilligen Einziehung unter den gleichen Voraussetzungen persönlich haften wie im Falle der zwangsweisen Einziehung (BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - II ZR 342/14 - OLG Celle).

Der Fall

Im Rahmen seines Urteils setzt sich der BGH mit der Frage auseinander, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gesellschafter persönlich haften, wenn die Gesellschaft den Abfindungsanspruch nicht aus ihrem freien Vermögen begleichen kann.

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Gesellschafterversammlung beschloss am 30. Juni 2008 mit Zustimmung des Klägers über die Einziehung des Geschäftsanteils des letzteren. Der Abfindungsanspruch sollte in drei Raten an den Kläger gezahlt werden. Des Weiteren wurde am gleichen Tage zwischen den Parteien ein Vergleich dahingehend geschlossen, dass die Einziehung erst mit Zahlung der ersten Rate des Abfindungsanspruches wirksam sein sollte. Am 31. Juli 2009 – kurz vor Fälligkeit der dritten Rate – erklärte die Gesellschaft gegenüber dem Kläger aufgrund einer bilanziellen Überschuldung nicht in der Lage zu sein, die letzte Rate zu zahlen. Am 16. März 2010 wurde auf Grundlage des Eigenantrages vom 26. Januar 2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Der Kläger verlangte daraufhin von den beklagten Gesellschaftern persönlich als Gesamtschuldnern die Zahlung der letzten Abfindungsrate.

Das Landgericht Hildesheim wies die Klage ab. Das OLG Celle verurteilte die Beklagten zu teilweiser Zahlung und wies die Klage im Übrigen ab. Daraufhin legten die Beklagten Revision ein.

Die Entscheidung

Der BGH befand, dass das Berufungsurteil der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten standhält, hob das betreffende Urteil auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Der BGH hielt zunächst fest, dass die Gesellschafter nicht schon deswegen persönlich haften, weil von Anfang an festgestanden hätte, dass die Gesellschaft aufgrund der Kapitalerhaltungsvorschriften daran gehindert war, den Abfindungsanspruch in geschuldeter Höhe aus ihrem freien Vermögen zu leisten. Des Weiteren würden die Satzungsregelungen der betreffenden Gesellschaft, die die Wirksamkeit der zwangsweisen Zustimmung zum Zeitpunkt des entsprechenden Gesellschafterversammlungsbeschluss vorsehen, die Gesellschafter nicht daran hindern, einen Vergleich über die Wirksamkeit der Einziehung zu einem anderen Zeitpunkt abzuschließen. Durch die Bezugnahme im Gesellschafterbeschluss über die Einziehung sei der Vergleich zum Bestandteil des Beschlusses geworden.

In Bezug auf die Frage, ob die Gesellschafter einer persönlichen Haftung bzgl. der Zahlung des Abfindungsanspruches unterliegen, käme es vielmehr darauf an (genau wie im Fall einer zwangsweisen Einziehung: BGH, Urteil vom 24. Januar 2012, Az.: II ZR 109/11), ob es der Billigkeit entspricht,

  • dass die Gesellschafter einerseits dem ausgeschiedenen Gesellschafter eine Auszahlung mit Hinweis auf die Kapitalerhaltungsvorschriften verweigern und andererseits nicht dafür sorgen, dass die Abfindung aus freiem Vermögen gezahlt wird,
  • oder sie die Gesellschaft aufgrund eigener wirtschaftlicher Vorteile fortführen, anstatt sie aufzulösen.

Die Haftung setzt somit treuwidriges Verhalten der verbleibenden Gesellschafter voraus.

Ein treuwidriges Verhalten liegt nicht vor, wenn sich die Gesellschafter die Gesellschaft bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage auflösen und sich somit nicht die Vorteile aus dem eingezogenen Geschäftsanteil zu Nutze machen. Gleiches gilt für den Fall einer Insolvenz und der Stellung eines Insolvenzantrages ohne schuldhaftes Zögern. Etwas anderes gilt aber, so der BGH, wenn die Gesellschafter auf treuwidrige Art und Weise dafür gesorgt hätten, dass nicht genügend freies Vermögen vorhanden ist.

Zudem haften die Gesellschafter auch dann nicht, wenn die Gesellschaft noch über genügend freies Vermögen zur Abfindung verfügt. Der Gesellschafter müsste in diesem Fall seine Ansprüche gegen die Gesellschaft auf gerichtlichem Wege geltend machen. Der BGH hielt ergänzend fest, dass es im Rahmen einer individuellen Vereinbarung – wie dem streitgegenständlichen Vergleich – möglich sei, abweichende Regelungen über die subsidiäre Haftung der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter zu treffen.

Folgen für die Praxis

Durch diese Entscheidung wird zum einen deutlich gemacht, dass die Regelungen zur subsidiären Gesellschafterhaftung bzgl. der Abfindungszahlung auch auf die einvernehmliche Einziehung Anwendung finden. Folglich ist eine fortwährende, sorgfältige Überprüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft und eine schnelle Einleitung entsprechender Maßnahmen (Auflösung oder Insolvenzeröffnungsantrag) im Falle einer Insolvenz oder eines Auszahlungshindernisses auf Grundlage der Kapitalerhaltungsvorschriften zu empfehlen, um eine persönliche Haftung für Abfindungsverbindlichkeiten zu vermeiden. Zudem sollte in Erwägung gezogen werden, ob mit dem ausscheidenden Gesellschafter eine ergänzende schuldrechtliche Vereinbarung getroffen wird, die diese sekundäre Gesellschafterhaftung im Zusammenhang mit der Einziehung und der damit verbundenen Abfindung regelt. Hierzu dürfte es sich regelmäßig empfehlen, qualifizierten Rechtsrat einzuholen.

Katharina Stertz
Rechtanwältin
 
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