Bestellung eines Notgeschäftsführers

Das OLG Düsseldorf hat sich in einem Beschluss vom 08.06.2016, Az. I-3 WX 302/15, näher mit den Voraussetzungen für die Bestellung eines Notgeschäftsführers für eine GmbH auseinandergesetzt.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beteiligten, geschiedene Eheleute, errichteten gemeinsam eine GmbH, an der beide zu jeweils 50 % beteiligt waren. Beide Gesellschafter wurden zu gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt. Der Gesellschaftsvertrag enthielt die übliche Regelung zur Geschäftsführung, wonach die Gesellschaft, wenn sie nur einen Geschäftsführer hat, durch diesen allein vertreten wird; Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden, wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten.

Im Jahr 2015 betrieb die Gesellschafterin (Beteiligte zu 1.) die Abberufung ihres Mitgesellschafters (Beteiligter zu 2.) als Geschäftsführer aus wichtigem Grund sowie die Zwangseinziehung von dessen Geschäftsanteil aus wichtigem Grund. Die hierzu gefassten Gesellschafterbeschlüsse griff der Beteiligte zu 2. gerichtlich mit einer Anfechtungsklage an. Das Registergericht, dem ein Antrag der Beteiligten zu 1. auf Eintragung der Abberufung des Beteiligten zu 2. als Geschäftsführer vorlag, setzte das Verfahren bis zur abschießenden Entscheidung über die Anfechtungsklage aus. Dem Beteiligten zu 2. war zwischenzeitlich durch einstweilige Verfügung untersagt worden, bis zur rechtskräftigen Klärung der Wirksamkeit seiner Abberufung als Geschäftsführer die Geschäfte der GmbH zu führen; diese einstweilige Verfügung wurde später jedoch aufgehoben.

Während der Streitigkeiten zwischen den beiden Gesellschaftern geriet die GmbH in erhebliche Schwierigkeiten. So blockierten die Banken der Gesellschaft Verfügungen über die Geschäftskonten, da sie die von der Beteiligten zu 1. nach Abberufung ihres Mitgesellschafter und -geschäftsführers für sich in Anspruch genommene Alleinvertretungsbefugnis nicht anerkannten. Infolgedessen konnte die Gesellschaft die Gehälter ihrer Angestellten sowie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen. Die Beteiligte zu 1. beantragte daraufhin die Bestellung eines Notgeschäftsführers. Hiergegen richtete sich der Beteiligte zu 2.

Entscheidungsgründe

Das OLG Düsseldorf erachtete in diesem Fall die Bestellung eines Notgeschäftsführers für zulässig. Da das GmbH-Gesetz keine dem § 85 AktG entsprechende Vorschrift für die gerichtliche Bestellung von Geschäftsführern enthält, stütze sich das Gericht als Rechtsgrundlage auf die vereinsrechtliche Vorschrift des § 29 BGB. Danach ist ein Notgeschäftsführer zu bestellen, falls es an einem erforderlichen Geschäftsführer fehlt und ein dringender Fall vorliegt. Voraussetzung für eine Bestellung ist demzufolge, dass ein für die organschaftliche Vertretung der GmbH unentbehrlicher Geschäftsführer fehlt oder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Geschäftsführung gehindert ist. Überdies muss der Gesellschaft oder einem Beteiligten ohne die Notgeschäftsführerbestellung ein Schaden drohen. Die Voraussetzungen sind eng auszulegen und die Notgeschäftsführerbestellung erfolgt nur subsidiär, sofern die Gesellschaftsorgane selbst nicht in der Lage sind, innerhalb einer angemessenen Frist den Mangel zu beseitigen.

Das OLG hebt diesbezüglich hervor, dass die Notbestellung insbesondere nicht die Funktion hat, in Gesellschaften mit untereinander zerstrittenen Gesellschaftern an deren Stelle für die Handlungsfähigkeit der GmbH zu sorgen. Allerdings ist der Fall, dass ein neuer Geschäftsführer nur deshalb nicht bestellt werden kann, weil sich die Gesellschafter nicht auf eine bestimmte Person einigen können, von der im hier besprochenen Fall zu entscheidenden Konstellation abzugrenzen, da es vorliegend um einen Streit zwischen Gesellschafter-Geschäftsführern in einer Zwei-Personen-GmbH mit wechselseitigen Abberufungs- und Ausschließungsbeschlüssen geht und sich somit die Streitigkeiten nicht auf die Besetzung der Geschäftsführerposition beschränken. In einem solchen Fall sieht das OLG Düsseldorf – im Einklang mit früheren Entscheidungen des OLG München (FGPrax 2007, 281 ff.) und des OLG Frankfurt (FGPrax 2006, 81 f.) – das Notbestellungsverfahren bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen als durchaus eröffnet an.

Bezogen auf den konkret zu entscheidenden Fall war bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage unklar, ob die betroffene GmbH über einen oder zwei Geschäftsführer verfügt. Daher war es aus Sicht des OLG irrelevant, ob und in welchem Umfang der möglicherweise ausgeschlossene und von der Geschäftsführung abberufene Beteiligte zu 2. rechtlich in der Lage und tatsächlich bereit war, an Handlungen der Geschäftsführung und Vertretung der betroffenen GmbH mitzuwirken. Die unklare Vertretung der Gesellschaft rechtfertigt nach Auffassung des OLG die Beurteilung, dass ihr ein Geschäftsführer im Rechtssinne fehlt.

Die weitere Tatbestandsvoraussetzung der Dringlichkeit einer Notbestellung konnte das OLG unschwer bejahen, da die GmbH zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus diversen Dauerschuldverhältnissen auf regelmäßige Zahlungsflüsse über ihre Bankkonten angewiesen war. Mit einer Einigung der beiden zerstrittenen Gesellschafter war in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, so dass die Bestellung des von der Beteiligten zu 1. vorgeschlagenen Notgeschäftsführers geboten war.

Fazit

Das OLG Düsseldorf schließt sich mit seinem Beschluss der vorhandenen obergerichtlichen Rechtsprechung zur Bestellung eines Notgeschäftsführers in einer GmbH an und konkretisiert deren Voraussetzungen weiter. Die Entscheidung schafft damit Rechtssicherheit in den leider regelmäßig auftretenden Fällen von Streitigkeiten in Zwei-Personen-Gesellschaften.