Neues zum Internetvertrieb: OLG Frankfurt hält Verbot des Vertriebs über Amazon Marketplace für zulässig

Mit Pressemitteilung vom 22.12.2015 hat das OLG Frankfurt am Main mitgeteilt, mit Urteil vom gleichen Tage ein Verbot in einem Vertriebsvertrag für Marken-Rucksäcke, diese auf Internetverkaufsplattformen wie Amazon zu verkaufen, für zulässig erachtet zu haben. Demgegenüber sei es nicht zulässig, einem Händler zu verbieten, die Rucksäcke über Preisvergleichsportale zu bewerben (OLG Frankfurt am Main, 1. Kartellsenat, Az.: 11 U 84/14 (Kart), Urteil vom 22.12.2015).

Hintergrund

Die Frage, ob und inwieweit Hersteller von Markenartikeln ihren Vertriebspartnern, namentlich selbstständigen Händlern, Vorgaben bezüglich des Vertriebs der Markenprodukte über das Internet machen dürfen, ist höchst umstritten. Das Bundeskartellamt wie auch die überwiegende erstinstanzliche Rechtsprechung sehen jedenfalls Beschränkungen des Internetvertriebs für Handelspartner äußerst kritisch. Vollständige Verbote oder vertragliche Ausschlüsse bestimmter Vertriebskanäle, wie etwa Verkaufsplattformen wie Amazon und/oder ebay, wurden in der Vergangenheit regelmäßig als unzulässig erachtet. Wir berichteten darüber beispielsweise bereits hier und hier.
Eine höchstrichterliche Klärung der mit den Beschränkungen des Internetvertriebs zusammenhängenden, insbesondere kartellrechtlichen Fragen, steht indes nach wie vor aus.

Der Fall

Im vom OLG Frankfurt am Main nunmehr entschiedenen Fall machte die beklagte Herstellerin von Marken-Rucksäcken die Belieferung der Klägerin, einer Sportartikel-Fachhändlerin, davon abhängig, dass diese einem im Vertriebsvertrag enthaltenen Verbot zustimmt, die Marken-Rucksäcke über Amazon Marketplace zu verkaufen und die Marken-Rucksäcke über Preisvergleichsportale zu bewerben.
Das Landgericht hat diese beiden Verbote insgesamt für kartellrechtswidrig erachtet (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.06.2014).

Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main

Das Oberlandesgericht hat sich der Fragestellung indes differenzierter genähert. Es hat im Ergebnis das Verbot des Vertriebs über die Internetplattform Amazon Marketplace für zulässig erachtet, während es das Verbot der Bewerbung über Preisvergleichsportale als unzulässig bewertet hat.

Ausgangspunkt der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main war die Feststellung, dass ein Hersteller von Marken-Produkten grundsätzlich frei darin ist, in einem sogenannten selektiven Vertriebssystem den Vertrieb zum Schutz seiner Marke in gewissem Rahmen zu steuern. Namentlich ist es dem Hersteller erlaubt, vorzugeben, unter welchen Bedingungen seine Marken-Produkte weitervertrieben werden dürfen. Soweit der Vertrieb über eine Internetverkaufsplattform in Rede steht, überwiege – so das OLG – das Interesse des Herstellers an einer qualitativ hochwertigen Beratung sowie der Signalisierung einer hohen Produkt-Qualität der Marke das Interesse des Vertriebspartners an einem Vertrieb über den Vertriebsweg „Amazon Marketplace“. Dies liege insbesondere daran, dass bei Amazon auch bei den von den Händlern selbst unterhaltenen „Shops“ das Angebot stets als solches von Amazon erscheine. Nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main werde dem Hersteller damit ein Händler „untergeschoben“, mit dem der Hersteller keine vertraglichen Beziehungen habe. Dies müsse der Hersteller nicht akzeptieren.

Dem könne der Händler auch nicht sein Interesse entgegenhalten, auf einer Internetverkaufsplattform wie Amazon Marketplace vertreten zu sein. Der Hersteller sei insoweit nicht verpflichtet, den Wettbewerb kleiner und mittlerer Unternehmen im Internethandel durch eine Öffnung aller Vertriebskanäle aktiv zu fördern.

Das Verbot hingegen, die Produkte über Preisvergleichsportale zu bewerben, geht nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main zu weit. Für ein solches Verbot gäbe es keine berechtigten Interessen des Herstellers. Insbesondere könne der Hersteller nicht sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Markenimages ins Felde führen. Preisvergleichsportale dienten in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise nicht in erster Linie dem Verkauf der Produkte, sondern lediglich dem Auffinden des Angebots des Händlers. Erst das Angebot des Händlers aber „konkretisiere“ insoweit das Markenimage des Herstellers. Soweit es gerade um dieses Markenimage geht, darf insoweit auch nur der konkrete Marktauftritt des Händlers selbst in die Betrachtung einbezogen werden – nicht die Preisvergleichsportale.

Die Entscheidung des OLG ist noch nicht rechtskräftig und kann mit der Revision zum Bundesgerichtshof angegriffen werden.

Fazit

Die Entscheidung des OLG bringt abermals Bewegung in die umstrittene Thematik, ob und unter welchen Umständen es Markenherstellern erlaubt ist, in ihren Vertriebsverträgen den Internetbetrieb beschränkende Regelungen aufzunehmen. Das OLG Frankfurt setzt sich dabei erfreulicherweise differenziert mit den einzelnen, konkret in Rede stehenden Beschränkungen auseinander. Es ist nur zu begrüßen, wenn das OLG Frankfurt insoweit den Spielraum für Markenhersteller nicht über Gebühr einschränkt. In der Tat sehen sich Markenhersteller gerade im Bereich des Internetvertriebs häufig einem „Wildwuchs“ der Vertriebsstrukturen gegenüber, der negative Auswirkungen auf das Markenimage haben kann. Es ist insoweit berechtigt und nachvollziehbar, dass Markenhersteller hier ein Interesse daran haben, den Vertrieb in ihrem Sinne zu steuern.

Vor dem Hintergrund der allerdings nach wie vor bestehenden Rechtsunsicherheit und der nicht einheitlichen Linie der Rechtsprechung ist eine höchstrichterliche Klärung nach wie vor wünschenswert. Zudem ist abschließend darauf hinzuweisen, dass eine gesicherte Beurteilung nur in jedem Einzelfall gesondert erfolgen kann, da es maßgeblich auf alle Umstände des Einzelfalls ankommt.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 22.12.2015