„Schweigen ist Gold“ oder: Verschwiegenheitspflicht gegen Verbraucherschutz

Mit Urteil vom 26.04.2016 – XI ZR 108/15 hat der BGH zur Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber ihren Arbeitgebern Stellung genommen.

Hintergrund

Das Aufsichtsratsmandat ist ein persönliches Mandat. Jedes Mitglied trifft die Schweigepflicht. Gilt dies auch im Verhältnis zum Arbeitgeber? Und wenn ja, muss sich der Arbeitgeber das Wissen seines Mitarbeiters dennoch zurechnen lassen?

Der Fall

Anlass, sich mit den vorstehenden Aspekten zu beschäftigen, hatte der BGH in einem Schadenersatzprozess. Der Kläger hatte bei einer Bank ein „Depotkonto unter Einschluss eines Finanzdienstleisters“, bestehend aus einem „Zins-Plus-Konto“ mit 4,5% Verzinsung und einem Depotvertrag zur Einbuchung von Wertpapieren, abgeschlossen. Am selben Tag hatte der Kläger dem Finanzdienstleister eine Transaktionsvollmacht erteilt. Den Unterschied zwischen dem niedrigeren Marktzins und der von der Bank versprochenen Verzinsung übernahm im Innenverhältnis der Finanzdienstleister. Anlageberatung sollte nach den getroffenen Vereinbarungen ausschließlich durch den Finanzdienstleister erfolgen. Es kam wohl zu einer Falschberatung. Der Finanzdienstleister stellte Insolvenzantrag. Der Kläger verlangt seinen Schaden von der Bank ersetzt.

Dem folgte das OLG München mit der Begründung, dass sich die Bank das Wissen ihres Prokuristen anrechnen lassen müsse, der im Aufsichtsrat des Finanzdienstleisters saß. Dieser habe im Aufsichtsrat von der systematischen Fehlberatung bestimmter Kundengruppen erfahren. Den Kläger hiervon nicht zu unterrichten stelle eine Verletzung von Nebenpflichten des Depotvertrages durch die Bank dar.

Dies sah der BGH anders: Während das OLG die Auffassung vertrat, die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht stehe der Wissenszurechnung nicht entgegen, hat der BGH klargestellt, dass die Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsratsmitglied absolut ist und gegenüber allen nicht zu Organmitgliedern der Gesellschaft gehörenden Personen besteht. Eine Kollision der Pflichten des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber seinem Arbeitgeber rechtfertige eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht nicht. Wegen der Pflicht zur Verschwiegenheit auch gegenüber seinem Arbeitgeber, scheide eine Wissenszurechnung aus.

Der BGH hatte auch Anlass klarzustellen, dass die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft nicht befugt ist, über die Offenbarung vertraulicher Angaben und Geheimnisse zu befinden. „Herrscher“ über die Geheimnisse der Aktiengesellschaft ist der Vorstand, nicht die Hauptversammlung. Aber auch der Vorstand hat eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen. Ein Aufsichtsratsmitglied kann nicht im Vorhinein für einen bestimmten Themenbereich generell von der Schweigepflicht entbunden werden.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung ist uneingeschränkt zu begrüßen. Es ist fast schon verwunderlich, dass die im Aktiengesetz ausdrücklich geregelte Pflicht des Vorstands und des Aufsichtsrates zur Verschwiegenheit in der Praxis immer wieder in Frage gestellt wird. Es mag Gründe dafür geben, sich andere Regelungen zu wünschen, etwa zugunsten des Verbraucherschutzes oder bei Kommunen als Aktionären. Diese Wünsche sind aber an den Gesetzgeber zu richten. Solange dieser nicht eingreift bleibt es beim absoluten Charakter der Verschwiegenheitspflicht.