Gesellschafter, aufgepasst: BFH ändert seine Rechtsprechung zu eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen

Mit am 27.09.2017 veröffentlichen Urteil vom 11.07.2017 hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine langjährige Rechtsprechung zur Möglichkeit, bestimmte Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung geltend zu machen, zum Nachteil des steuerpflichtigen Gesellschafters geändert (BFH, Urteil vom 11.7.2017, IX R 36/15).

Hintergrund

Wird beispielsweise ein Gesellschafter im Insolvenzverfahren der Gesellschaft als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch genommen, führte dies nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.

Der Fall

Der vom BFH nunmehr entschiedene Fall spielte sich im Jahr 2010 ab. Ein Alleingesellschafter einer GmbH hatte, wie es praktisch häufig der Fall ist, Bürgschaften für die Bankverbindlichkeiten der Gesellschaft übernommen. In der Insolvenz der GmbH wurde er von der Gläubigerbank aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Da er mit seinem Regressanspruch gegen die insolvente GmbH ausgefallen war, begehrte er die steuerliche Berücksichtigung der in diesem Zusammenhang geleisteten Zahlungen auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung.

Bisherige Beurteilung

Der BFH hat bisher in solchen Fällen dann nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung angenommen, wenn das Darlehen oder die Bürgschaft eigenkapitalersetzend waren. Nachträgliche Anschaffungskosten minderten den Veräußerungs- oder Auflösungsgewinn oder erhöhten einen entsprechenden Verlust. Bei der Frage, ob die Finanzierungshilfe des Gesellschafters eigenkapitalersetzend war, orientierte sich der BFH bis dato an den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zum sog. Eigenkapitalersatzrecht.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 hat der Gesetzgeber allerdings das Eigenkapitalersatzrecht aufgehoben und durch eine insolvenzrechtliche Regelung ersetzt. Darlehen, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft gegeben hat, sind danach im Insolvenzverfahren der Gesellschaft nachrangig zu erfüllen. Eine Kapitalbindung tritt nicht mehr ein. Seitdem war umstritten, welche Auswirkungen dies steuerrechtlich auf die Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten hat.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH hat jetzt entschieden, dass mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts die gesetzliche Grundlage für die bisherige Annahme von nachträglichen Anschaffungskosten entfallen ist. Nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung sind deshalb – wie auch ansonsten im Einkommensteuerrecht – nur noch nach Maßgabe der handelsrechtlichen Begriffsdefinition in § 255 des Handelsgesetzbuchs anzuerkennen. Darin liegt eine wesentliche Einschränkung gegenüber der bisherigen Praxis.

Gibt es Vertrauensschutz?

Da der BFH mit der Entscheidung seine bisherige Linie aufgegeben hat, stellte sich zudem die Frage nach Vertrauensschutz für den betroffenen Gesellschafter, der im Jahr 2010 keinen Anlass hatte, an der steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit seiner Zahlung zu zweifeln.

In der Tat hat der BFH in seiner Entscheidung aus Gründen des Vertrauensschutzes eine zeitliche Anwendungsregelung getroffen: Zwar ist der Kläger nach dem neuen Urteil eigentlich nicht mehr berechtigt, seinen Forderungsausfall als nachträgliche Anschaffungskosten geltend zu machen. Für alle Fälle aber, in denen der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung des Urteils am 27. September 2017 geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist, sei – so der BFH – Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechung zu gewähren. Solche Fälle sind daher, wenn es für die Steuerpflichtigen günstiger ist, weiterhin nach den bisher geltenden Grundsätzen zu beurteilen. „Glück im Unglück“ für den Kläger: Seine Bürgschaften waren bereits im Zeitpunkt ihrer Hingabe eigenkapitalersetzend.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BFH hat große Auswirkung auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesellschafters. Der BFH hat angekündigt, in einer Reihe weiterer Fälle demnächst die neuen Grundsätze konkretisieren. Dies gilt es also zu beobachten!

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs Nr. 60 vom 27. September 2017