Vollstreckung von Ordnungshaft am Vorstand einer AG im Insolvenzverfahren

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 9.5.2017 – 2 BvR 335/17 festgestellt, dass gegen die Vollstreckung der Ordnungshaft an den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Der Fall

Das Bundesverfassungsgericht hatte über die Verfassungsbeschwerde des Vorstandes einer Aktiengesellschaft zu entscheiden, gegen den Ordnungshaft von 200 Tagen festgesetzt worden war. Hintergrund dieser Maßnahme war ein gegen die Gesellschaft erlassenes wettbewerbsrechtliches Unterlassungsgebot, gegen das die Gesellschaft mehrfach verstoßen hatte. Aufgrund der Verstöße wurde gegen die Gesellschaft ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 € festgesetzt und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann je ein Tag Ordnungshaft für je 250 € angeordnet. Über das Vermögen der Aktiengesellschaft wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Nachdem das Gericht erfolglos zur Zahlung des Ordnungsgeldes aufgefordert hatte, wurde die Vollstreckung der ersatzweise festgesetzten Ordnungshaft angeordnet und der Vorstand der AG aufgefordert diese anzutreten.

Die Entscheidung

Das Gericht stellt zunächst klar, dass den Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO ein doppelter Zweck zukommt. Zum einen dienten diese präventiv der Verhinderung künftiger Verstöße. Zum anderen komme diesen eine repressive Wirkung zu, indem sie eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung gerichtlicher Verbote aufstellen. Damit dienen sie auch dem Sanktionsinteresse des Gläubigers und der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Ordnungsmittelverfahrens.

Diese Auslegung steht nach Auffassung des Gerichts auch im Einklang mit der Verfassung, solange das strafrechtliche Schuldprinzip gewahrt ist.

Die Festsetzung des Ordnungsgeldes setzt dabei lediglich ein Verschulden auf Seiten des Schuldners voraus. Ist aber der Schuldner eine juristische Person, kann nur die Schuld der für sie verantwortlich handelnden Personen maßgebend sein. Vorliegend hatten jedoch die Fachgerichte gravierende Verstöße auf Seiten der Gesellschaft und damit auch des handelnden Vorstandes festgestellt.

Dass ein weiterer Verstoß gegen das Unterlassungsgebot aufgrund der Insolvenz der Gesellschaft nicht in Betracht kam, sei nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dabei unerheblich. Dies sei durch die Fachgerichte bereits durch eine Reduzierung der Haftdauer auf die Hälfte genügend berücksichtigt worden.

Das Gericht ließ es auch nicht als Argument gelten, dass der Vorstand selbst zahlungsunfähig war und es ihm deshalb unmöglich war die Ordnungshaft durch Zahlung der 50.000 € abzuwenden.

Hinweise für die Praxis

Diese Rechtsprechung zeigt die massiven Konsequenzen auf, die das Nichtbefolgen von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsgeboten mit sich bringen kann. Die Sanktionen richten sich dabei nicht nur gegen die Gesellschaft selbst, sondern auch die für diese handelnden Personen, wie den Geschäftsführer einer GmbH oder den Vorstand einer AG. Die Geschäftsleiter juristischer Personen sollten daher entsprechende Untersagungsverfügungen ernst nehmen, insbesondere wenn eine Insolvenz der Gesellschaft droht. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bedeutung eines Compliance-Systems hinzuweisen, welches sichterstellt, dass Risiken für wesentliche Regelverstöße rechtzeitig erkannt und Regelverstöße verhindert werden.