BGH zur Umqualifizierung einer Gesellschafterhilfe in eine eigenkapitalersetzende Leistung bei stiller Gesellschaft

Mit Urteil vom 23. Januar 2018 hat der BGH zum „alten“ Eigenkapitalersatzrecht entschieden, dass es für die Umqualifizierung einer Gesellschafterhilfe in eine eigenkapitalersetzende Leistung wegen einer Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft nicht darauf ankommt, ob zusätzlicher Kreditbedarf der Gesellschaft bestand, um den Geschäftsbetrieb fortführen bzw. wiederaufnehmen zu können, sondern darauf, ob die Gesellschaft sich den bereits vom Gesellschafter gewährten Kredit aus eigener Kraft hätte beschaffen können (BGH, Urteil vom 23. Januar 2018, Az. II ZR 246/15).

Der Fall

Die Klägerin war Verwalterin in dem 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Die Schuldnerin war eine GmbH, deren einzige Gesellschafterin eine Beteiligungsgesellschaft mbH war. An dieser Beteiligungsgesellschaft mbH waren die frühere Ehefrau des Beklagten, seine Tochter und ein dritter Gesellschafter zu gleichen Teilen beteiligt. Der Beklagte hielt seit 1989 eine Beteiligung als stiller Gesellschafter an der Schuldnerin. Im Gegenzug zu seiner Einlage in Höhe von 15,2 Mio. DM standen dem Beklagten nach dem stillen Gesellschaftsvertrag 95% des Gewinns der Schuldnerin zu. Zudem war der Beklagte Bevollmächtigter der Gesellschafter. Diese Vollmacht wurde 1995 widerrufen und die stille Gesellschaft zum Ende des Jahres 1998 beendet.

In der Zeit von 1989 bis 1992 hatte der Beklagte der Schuldnerin Darlehen in Höhe von insgesamt 9,95 Mio. DM gewährt. Im Jahre 1992 war eine Verzinsung dieser Darlehen vereinbart worden. Nach Beendigung der stillen Gesellschaft zahlte die Schuldnerin im Jahre 1999 1.519.650,45 DM (=776.984,91 €) Zinsen an den Beklagten. Die Klägerin verlangte die Rückzahlung dieses Betrages nach den Regeln des früheren Eigenkapitalersatzrechts.

Die Klage hatte zunächst vor dem LG und dem OLG Erfolg. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH mit dem Urteil vom 24.09.2013 – II ZR 39/12 das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das OLG zurück. Das OLG änderte das Urteil des LG ab und wies die Klage ab. Die gegen dieses Urteil des OLG erhobene Revision der Klägerin führte nun erneut zur Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Die Entscheidung

Der BGH stellt zunächst klar, dass die Regeln zum Eigenkapitalersatz zwar grundsätzlich nicht auf stille Gesellschafter anzuwenden seien. Dies gelte jedoch nicht, wenn aufgrund vertraglicher Regelungen eine weitgehende Gleichstellung des stillen Gesellschafters mit einem regulären GmbH-Gesellschafter stattfinde. Die wirtschaftliche Gleichstellung des Beklagten folgt nach Ansicht des Gerichts im zu entscheidenden Fall aus seiner 95%-igen Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft, sowie der Möglichkeit aufgrund der erteilten Vollmacht, die Rechte der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung vollumfänglich auszuüben.

Die Regeln zum Eigenkapitalersatzrecht erfordern weiterhin, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Leistung kreditunwürdig gewesen ist. Dies ist der Fall, wenn die Gesellschaft zum fraglichen Zeitpunkt keinen marktüblichen Kredit von einem Dritten hätte erhalten können und ohne die Hilfe hätte liquidiert werden müssen.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, nach der die Kreditunwürdigkeit deshalb zu verneinen war, weil die Klägerin keinen Kreditbedarf der Schuldnerin vorgetragen hatte, bejahte der BGH die Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin. Da bereits eine Gesellschafterhilfe in Form eines Darlehens erbracht worden war, sei es unerheblich, ob weiterer Kreditbedarf bestand oder nicht. Allein ausschlaggebend sei nur, ob die Schuldnerin die Darlehen aus eigener Kraft hätte beschaffen können. Dabei sah der BGH die Höhe der gewährten Kredite (9,95 Mio. DM) als Indiz für einen Kreditbedarf der Schuldnerin an. Auch die Bereitschaft des Beklagten zur Stellung von Sicherheiten lasse die Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin nicht entfallen, da eine Gleichsetzung der Kreditgewährung durch einen Gesellschafter mit der Kreditgewährung durch einen außenstehenden Dritten rechtlich unzulässig sei.

Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass trotz Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 (MoMiG) die Regelungen zum früheren Eigenkapitalersatzrecht immer noch zur Anwendung kommen können, obwohl dieser Fall aufgrund der zweifachen Rückverweisung an das Berufungsgericht mit Sicherheit eine Ausnahme darstellen dürfte. Zu beachten ist insoweit Art. 103 d EGInsO, der bestimmt, dass auf Insolvenzverfahren, die vor dem Inkrafttreten des MoMiG am 1. November 2008 eröffnet worden sind, „die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden“ sind. Bei „Altfällen“ ist daher das alte Recht immer noch von Relevanz!

Mit dem MoMiG hat der Gesetzgeber das bis dahin im GmbHG verankerte Eigenkapitalersatzrecht aufgehoben und durch eine insolvenzrechtliche Regelung ersetzt. Darlehen, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft gewährt, sind nun im Insolvenzverfahren der Gesellschaft nachrangig zu erfüllen.

Julia Schifelbein
Rechtsanwältin

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