Bayerischer Verwaltungsgerichtshof entscheidet gegen Baugenehmigung für öffenbare Fenster in einer Gebäudeabschlusswand

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 19.07.2016 (Az.: 9 CS 15.336) die aufschiebende Wirkung einer Nachbarklage gegen eine erteilte Baugenehmigung angeordnet, soweit diese im Wege einer Abweichung den Einbau öffenbarer Fenster in eine Gebäudeabschlusswand genehmigt hat.

Der Fall

Die Antragsteller haben sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen eine ihren Nachbarn erteilte Baugenehmigung gewandt. Nach der angegriffenen Genehmigung durften die Beigeladenen mehrere Fenster in einer grenzständigen Gebäudeabschlusswand in der Qualität F60 errichten, wobei vier dieser Fenster öffenbar ausgeführt werden durften, ohne dass sie über einen Mechanismus zur Selbstschließung im Brandfall verfügen mussten. Das Wohngebäude auf dem Grundstück der Antragsteller hält zur vorbeschriebenen Gebäudeabschlusswand einen Abstand zwischen 3,70 m und 2,38 m ein.

In I. Instanz vor dem Verwaltungsgericht unterlagen die Antragsteller.

Die Entscheidung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hielt die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung insoweit für begründet, als vier Fenster in der in Rede stehenden Gebäudeabschlusswand des Wohnhauses der Beigeladenen als öffenbar zugelassen wurden.

Zur Begründung führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus, dass Gebäudeabschlusswände – anders als die Vorschriften über innere Brandwände – dem Nachbarschutz dienen, weil sie das Übergreifen des Brandes auf das Nachbargebäude verhindern sollen. Öffnungen in Brandwänden als Gebäudeabschlusswand seien grundsätzlich unzulässig, weil sie dem Schutzziel der Norm widersprächen, wonach ausreichend lange eine Brandausbreitung verhindert werden soll. Die Brandwand bilde das klassische Bauteil der brandschutztechnischen Abschottung, an der ein Brand zunächst auch ohne Eingreifen der Feuerwehr gestoppt werden und sich jedenfalls nicht weiter ausbreiten dürfe. Dieses Schutzziel könne nur dann erreicht werden, wenn die Brandwand keine Öffnungen aufweise, durch die Feuer und Hitze austreten können. Ein bewegliches Fenster widerspreche diesem Zweck, wenn nicht sichergestellt sei, dass es im Brandfall geschlossen ist, damit der Brand auch ohne Eingreifen der Feuerwehr innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gestoppt und sich jedenfalls nicht weiter ausbreite. Sollen Abschlüsse von Öffnungen – wie bei beweglichen Fenstern – offengehalten werden, so seien sie mit Feststellanlagen auszurüsten, die im Brandfall ein selbstständiges Schließen bewirken. Die in der Baugenehmigung erteilte Abweichung für öffenbare, nicht selbstschließende Fenster gefährde in der konkreten Situation aller Voraussicht nach die öffentliche Sicherheit, insbesondere Leben und Gesundheit, weil sie wohl mit dem öffentlichen Belang des Brandschutzes nicht vereinbar sei. Aus diesem Grunde hätte im Ergebnis die Abweichung für öffenbare Fenster in der Gebäudeabschlusswand nicht genehmigt werden dürfen.

Folgen für die Praxis

Abweichungen von dem grundsätzlichen Verbot, Öffnungen in Brandwänden, die Gebäudeabschlusswände sind, können in atypischen Grundstückssituationen zugelassen werden. Eine solche positive Abweichungsentscheidung erweist sich jedoch nur dann als rechtmäßig, wenn das Schutzziel der Norm dennoch erreicht wird. Dies bedeutet in concreto, dass zuverlässig die Brandausbreitung von dem Gebäude, für das eine Gebäudeabschlusswand erforderlich ist, auf benachbarte Grundstücke wirksam unterbunden werden muss. Dies kann im Einzelfall dadurch gewährleistet werden, dass ein Fenster eingebaut wird, welches über die gleiche Feuerwiderstandsklasse verfügt wie die, die für die Gebäudeabschlusswand vorgeschrieben ist. Soll das Fenster öffenbar ausgeführt werden, muss durch technische Einrichtungen sichergestellt werden, dass sich das Fenster im Brandfall selbstständig schließt.