EU-beihilferechtskonforme Krankenhausfinanzierung ohne Notifizierung nur bei Einhaltung der Transparenzkriterien des Freistellungsbeschlusses

Mit Urteil vom 24.03.2016 (Az. I ZR 263/14) hat der Bundesgerichtshof entschieden, unter welchen Voraussetzungen staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung bei der Europäischen Kommission befreit sind. Die Entscheidung revidiert teilweise das viel diskutierte Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20.11.2014 (Az. 2 U 11/14).

Der Fall

Der Landkreis Calw ist Gesellschafter der Kreiskliniken Calw gGmbH, die Krankenhäuser in Calw und Nagold betreiben. Die Krankenhäuser wurden in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. Der Landkreis hat die Kreiskliniken Calw in 2008 und 2013 mit der Erbringung näher bezeichneter medizinischer Versorgungsleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DawI) betraut. In der Folge glich der Landkreis die Jahresfehlbeträge der Kreisklinken Calw aus und gewährte Investitionszuschüsse sowie Ausfallbürgschaften zur Absicherung von Investitionsdarlehen, ohne hierfür Avalzinsen zu verlangen.

Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken sah hierin staatliche Beihilfen zu Gunsten der Kreiskliniken Calw, die mangels Notifizierung bei der Europäischen Kommission gegen das Durchführungsverbot des Artikel 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstießen, und klagte.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken Calw staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen, denn selbst wenn dies der Fall wäre, seien die Zuwendungen gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV für die Erbringung von DawI erforderlich und nach der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG der Kommission von der Notifizierungspflicht befreit. Nach Auffassung des Berufungsgerichts begründe die Aufnahme in den Krankenhausplan eine „nicht mehr überwindbare Verpflichtung des Beklagten zum Betrieb dieser Krankenhäuser“. Diese Betreibensverpflichtung rechtfertige, dass die öffentliche Hand ihre Krankenhäuser nicht nur mit Teilleistungen, sondern umfassend mit der stationären Krankenversorgung betraut und die hierfür erforderlichen Kosten übernimmt.

Darüber hinaus genügten nach Auffassung des Berufungsgerichts die Betrauungsakte von 2008 und 2013 den Anforderungen des Art. 4 der Entscheidung 2005/842/EG bzw. des Beschlusses 2012/21/EU. Hierzu führte es aus: Es mag „empfehlenswert erscheinen, vorab festzulegen, für welche DawI ein Kostenausgleich anhand welcher Parameter erfolgen soll und die DawI-Leistungsbereiche möglichst konkret zu benennen, in denen Defizite erwartet werden.“ Die etwaige Nicht-Einhaltung formaler beihilfenrechtlicher Anforderungen sei jedoch nicht mit dem Durchführungsverbot zu sanktionieren.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof teilt die Auffassung des Berufungsgerichts insofern, dass die Aufnahme eines öffentlichen Krankenhauses in den Krankenhausplan die öffentliche Hand dazu verpflichte, den Betrieb des Krankenhauses aufrechtzuerhalten, auch im Falle seiner Unwirtschaftlichkeit. Dies rechtfertige es, die medizinische Versorgung durch ein solches öffentliches Krankenhaus als DawI im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV anzusehen.

Der Bundesgerichtshof betonte jedoch zu Recht, dass die Transparenzkriterien des Art. 4 der Entscheidung 2005/842/EG und des Beschlusses 2012/21/EU keine rein formalen Regelungen sind, deren Nichteinhaltung ohne Rechtsfolgen bleiben kann. Vielmehr sind staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung nur dann freigestellt, wenn sie die Voraussetzungen der Entscheidung bzw. des Beschlusses erfüllen.

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass der Betrauungsakt von 2008 nicht den Transparenzanforderungen der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG genügte. Die Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistungen seien nur unzureichend ausgewiesen. Diese Nichteinhaltung der Transparenzverpflichtung führt dazu, dass eine mögliche Beihilfe notifiziert werden muss.

Folgen für die Praxis

Das Urteil des Bundesgerichtshofs verdeutlicht, dass es auch im Bereich der öffentlichen Krankenhausfinanzierung keinen „Persilschein“ (so Heise, EuZW 2015, 739) für öffentliche Zuwendungen geben kann. Die Befreiung von der Notifizierungspflicht setzt zwingend voraus, dass die Transparenzanforderungen des Freistellungsbeschlusses der Kommission eingehalten werden. Andernfalls liegt im Falle tatbestandlicher staatlicher Beihilfen ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot vor. Daher sind öffentliche Krankenhäuser und ihre kommunalen Träger gut beraten, ihre Betrauungsakte auf die Einhaltung der Transparenzkriterien hin zu überprüfen.

Autor:
Rechtsanwalt Martin Busch
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