Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens bei Ausnahme von einer Veränderungssperre

Die Rechtmäßigkeit einer Ersetzung des nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB erforderlichen gemeindlichen Einvernehmens beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde. Nachträglich eintretende Rechtsänderungen haben hingegen außer Betracht zu bleiben. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 09.08.2016 (4 C 5.15) entschieden.

Von einer erlassenen Veränderungssperre können nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB Ausnahmen zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB trifft die Entscheidung über derartige Ausnahmen die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde.

Der Fall

Im streitgegenständlichen Fall wendet sich eine Gemeinde gegen die Verlängerung eines den Beigeladenen erteilten Bauvorbescheides, die im Wege einer Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB unter Ersetzung ihres Einvernehmens durch die Baugenehmigungsbehörde erteilt worden war. Während die Gemeinde in der 1. Instanz noch erfolglos war, konnte sie im Berufungsverfahren obsiegen, da dort der Verwaltungsgerichtshof den Verlängerungsbescheid aufhob.

Die Entscheidung

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung darauf hingewiesen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Verlängerung des Vorbescheides die Gemeinde zu Recht das zu einer Ausnahme von der Veränderungssperre erforderliche Einvernehmen verweigert habe, was dazu führt, dass es auch nicht ersetzt werden durfte. Weder hätten die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB vorgelegen, noch sei die Veränderungssperre unwirksam gewesen. Der Umstand, dass während des Klageverfahrens die Veränderungssperre außer Kraft getreten und ihre Verlängerung erst wenige Tage danach bekanntgemacht worden sei, sei unbeachtlich.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bestätigt und die Revision des Bauherrn zurückgewiesen. Es hat dabei darauf hingewiesen, dass in den Einvernehmensregelungen, wie z.B. § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB, zum Ausdruck komme, dass der Bundesgesetzgeber den Gemeinden zum Schutz ihrer Planungshoheit eine starke Stellung im Baugenehmigungsverfahren einräumen wolle. Daraus folge, dass in den Fällen, in denen die Baugenehmigungsbehörde ohne das gemeindliche Einvernehmen eine Baugenehmigung erteile oder das verweigerte Einvernehmen der Gemeinde in rechtswidriger Weise ersetze, allein dieser Verstoß zur Aufhebung der erteilten Genehmigung führe. Ob das Einvernehmen rechtswidrig verweigert worden ist, könne dabei ausschließlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung hierüber beurteilt werden. Nachträgliche Rechtsänderungen müssen folglich außer Betracht bleiben. Insofern hat die Gemeinde im vorliegenden Fall ihr Einvernehmen zu Recht verweigert, es durfte folglich auch nicht ersetzt werden.

Folgen für die Praxis

Mit der Entscheidung stärkt das Bundesverwaltungsgericht die Rechte der Gemeinden im Baugenehmigungsverfahren. Insbesondere wenn diese ihr Einvernehmen rechtmäßig verweigert haben, kann dieser Umstand nicht zu einem späteren Zeitpunkt dadurch überwunden werden, dass sich die Sach- und Rechtslage zu ihren Ungunsten ändert.