BVerwG: Vorabentscheidungsersuchen zur Planerhaltung bei UVP-pflichtigen Bebauungsplänen

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 14.03.2017 (Az.: 4 CN 3.16) das Verfahren ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gestellt. Dieser soll klären, ob nationale Vorschriften über die Planerhaltung von Bebauungsplänen den Anforderungen des Unionsrechts genügen.

Der Fall

Ein Grundstückseigentümer wendet sich mit einem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan einer Gemeinde, der die Zulässigkeit eines Vorhabens begründen soll, das einer Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegt. Im Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan hatte die Gemeinde die Öffentlichkeit beteiligt. Zu diesem Zweck gab sie die Auslegung des Planentwurfs und weiterer Unterlagen bekannt. Die ausliegenden Unterlagen waren bezeichnet, es fehlte aber an Hinweisen, welche umweltbezogenen Themen in diesen Unterlagen behandelt werden.

Die Gemeinde beschloss den Bebauungsplan und gab ihn bekannt. Sie wies darauf hin, dass eine Verletzung einer nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BauGB beachtlichen Verfahrens- oder Formvorschrift unbeachtlich werde, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit der Bekanntmachung schriftlich geltend gemacht worden sei.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Das BVerwG ist zur Entscheidung über die Revision berufen.

Die Entscheidung

Die Bekanntmachung der Gemeinde zur öffentlichen Auslegung verstieß gegen § 3 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BauGB, da die in den vorhandenen Unterlagen und Stellungnahmen behandelten Umweltthemen nicht nach Themenblöcken zusammengefasst und in der ortsüblichen Bekanntmachung schlagwortartig charakterisiert waren. Der nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB beachtliche Verfahrensfehler ist nach § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden, denn niemand hat ihn – trotz entsprechender Belehrung – innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans gerügt.

Der Senat hat jedoch Zweifel, ob Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) so auszulegen ist, dass die Vorschrift einer Anwendung des § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in diesem Fall entgegensteht.

Art. 11 Abs. 1 UVP-RL verlangt für Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit einen Zugang zu einem Gericht (oder einer anderen Stelle), um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit eines Hoheitsaktes anzufechten. Nach der Rechtsprechung des EuGH (NVwZ 2015, 1665) beschränkt Art. 11 Abs. 1 UVP-RL aber nicht die Gründe, die mit einem Rechtsbehelf geltend gemacht werden können. Das BVerwG sieht Klärungsbedarf, ob § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB im vorliegenden Fall mit der UVP-Richtlinie vereinbar ist und hat daher den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens um Klärung gebeten.

Anmerkung

Von der Anwendbarkeit des § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB hängt der Ausgang des Normenkontrollverfahrens ab. Bei Anwendung der Vorschrift müsste das vorlegende Gericht die Revision zurückweisen. Nach nationalem Recht erstreckt sich die gerichtliche Prüfung nicht auf den der Gemeinde im Aufstellungsverfahren unterlaufenen Fehler. Steht hingegen das Unionsrecht der Anwendung des § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB entgegen, müsste das vorlegende Gericht den Bebauungsplan für unwirksam erklären.

Sollte der EuGH die Regelung für unvereinbar mit dem Unionsrecht erklären, würde dies die in den vergangenen Jahren stetig gestiegenen Anforderungen an die kommunale Bauleitplanung weiter erhöhen. UVP-pflichtige Bebauungspläne unterlägen dann nämlich nicht mehr der Planerhaltungsregelung des § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB, so dass Verfahrens- und Formfehler nicht mehr durch Zeitablauf unbeachtlich werden würden.
Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs hat das BVerwG das Revisionsverfahren ausgesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH auf die Vorlagefrage des Bundesverwaltungsgerichts antworten wird.

Quelle: BVerwG, Beschluss vom 14.03.2017 – Aktenzeichen 4 CN 3.16