Ausbau erneuerbarer Energien: Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) kann nachgeholt werden

Das OVG Münster hat am 20. Dezember 2018 (Az. 8 A 2971/17) entschieden, dass die für ein Vorhaben notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auch noch im Nachhinein durchgeführt werden kann. Das OVG wies die entsprechende Berufung einer Nachbarin gegen ein Urteil des VG Arnsberg vom 17. Oktober 2017 (Az. 4 K 2130/16) zurück. Dies ist insbesondere für UVP-pflichtige Vorhaben, bei denen die UVP unterblieben ist oder verfahrensfehlerhaft erfolgte, von Bedeutung.

Der Fall

Im vorliegenden Fall war eine UVP-pflichtige Windenergieanlage ohne ordnungsgemäß durchgeführte UVP genehmigt, errichtet und in Betrieb genommen worden. Nachdem die fehlende ordnungsgemäße Durchführung der UVP festgestellt worden war, wurde die Windenergieanlage wieder außer Betrieb genommen und ein erneutes Genehmigungsverfahren durchgeführt. In diesem wurde auch die Umweltverträglichkeit ordnungsgemäß geprüft. Nach erfolgter UVP und erneuter Genehmigung wurde die Anlage dann (erneut) in Betrieb genommen. Hiernach klagte eine Nachbarin gegen die Windenergieanlage.

Die Entscheidung

Das OVG Münster stellte fest, dass in dieser Abfolge kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-RL) zu sehen sei. In diesem heißt es, dass die Mitgliedstaaten zu gewährleisten haben, dass eine UVP für Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, „vor Erteilung der Genehmigung“ durchgeführt wird.

Denn die UVP sei vor Erteilung der Genehmigung – nämlich der zweiten Genehmigung – durchgeführt worden. Allein hierauf komme es an; dass das Vorhaben bereits zuvor errichtet worden und sogar betrieben worden war, spiele keine Rolle. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a UmwRG verdeutliche, dass es die Möglichkeit gebe, eine UVP nachzuholen.

Dort, wo UVP-pflichtige Vorhaben ohne UVP errichtet worden seien, läge zunächst ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor. Der unionsrechtliche Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichte die Mitgliedsstaaten aber, die Folgen eines solchen Verstoßes zu beseitigen. Dies könne auch durch die Rücknahme einer erteilten Genehmigung, die Durchführung der fehlenden UVP und die erneute Genehmigung des Vorhabens erfolgen. Es sei allerdings darauf zu achten, dass das Unionsrecht auf diesem Wege nicht umgangen wird.

Auch habe die Rechtsprechung zwar Bedenken gegen die Nachholung einer UVP (BVerwG, Urteil vom 20. August 2008, Az. 4 C 11.07, Rn. 26) und halte eine solche nur bei Vorliegen besonderer Umstände für möglich (OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2017, Az. 8 B 493/16). Der Begriff „Nachholen“ meine jedoch nur solche Fälle, in denen die UVP zum Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens noch nicht durchgeführt worden ist und im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werde.

Insbesondere müsse eine entsprechend zunächst fehlerhaft genehmigte Anlage nicht zurückgebaut werden, sondern werde durch die zweite, rechtmäßig ergangene Genehmigung legalisiert.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung entschärft die Situation von Bauvorhaben, in deren Genehmigungsverlauf bei der UVP formelle Fehler gemacht wurden, ganz erheblich. Insbesondere gilt dies dort, wo eine standortbezogene Vorprüfung im Einzelfall nach UVPG anstelle einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach UVPG durchgeführt wurde. Für solche Vorhaben ist – deren materielle Genehmigungsfähigkeit vorausgesetzt – nun dank dieser Orientierungsentscheidung geklärt, dass eine Legalisierung ohne Rückbau möglich ist.